Springe zum Inhalt

Die Ergebnisse des Projekts "Sexuelle Bildung für das Lehramt" sind nun als Buch publiziert, gemeinsam mit den Ergebnissen weiterer Projekte und den Einschätzungen politischer Entscheidungsträger*innen.

Im Rahmen des Projekts "SeBiLe - Sexuelle Bildung für das Lehramt" hat eine umfassende quantitative und qualitative Erhebung stattgefunden und wurde ein differenziertes Curriculum entwickelt. Die Ergebnisse sind nun als Buch publiziert, gemeinsam mit den Ergebnissen weiterer Projekte und den Einschätzungen politischer Entscheidungsträger*innen.

Sexuelle Bildung für das Lehramt: Zur Notwendigkeit der Professionalisierung
hg. von Maria Urban, Sabine Wienholz, Celina Khamis

Informationen zum Buch.

Anfrage für ein Rezensionsexemplar: Melanie Fehr-Fichtner.

1

Am vergangenen Sonnabend ist Jörg Schröder im Alter von 81 Jahren gestorben. Auch aus sexualwissenschaftlicher und sexualpädagogischer Sicht ist er zu würdigen.

Am vergangenen Sonnabend ist Jörg Schröder im Alter von 81 Jahren gestorben. Auch aus sexualwissenschaftlicher und sexualpädagogischer Sicht ist er zu würdigen. Unter anderem gründete er 1969 den März-Verlag, in dem Günter Amendts Band "Sexfront" erschien, der eine ganze Generation und die sexpositive Sexualpädagogik in der BRD und Westberlin prägte. Die "Sexfront" ist ebenso bedeutsam für eine zeitgemäße Sexualpädagogik und Sexuelle Bildung, wie es 1967 das Engagement der Frankfurter Schülerzeitung Bienenkorb-Gazette und ihrer Herausgeberinnen - unter ihnen Christa Appel und Zlila Drory - war, das letztlich dazu führte, dass sich die Kultusministerkonferenz der BRD auf eine zeitgemäße(re) schulische "Sexualerziehung" verständigte. Um die "Sexfront" gab es intensive Diskussionen, und so hat sie Debatten geprägt. Jörg Schröder war gerade dieses Buch wichtig, wie er gemeinsam mit Barbara Kalender 2007 im taz-Blog festhielt: hier online. 1986 erschien im März-Verlag das nicht weniger wichtige Buch "Das große DER DIE DAS" von Gunter Schmidt, das - wie "Sexfront" - auch heute für die Ausbildung von Sexualpädagog*innen und Sexualwissenschaftler*innen unentbehrlich ist. Einer der lesenswertesten Nachrufe zum Tod von Jörg Schröder findet sich im ND: "Wie man unabhängig bleibt".

1

Etwas mehr als eine Seite Text reicht aus und die gesamte Medienlandschaft berichtet. So ergeht es der AfD. Eine der etablierten Parteien muss weit mehr Mühe aufwenden - selbst umfassende Standortbestimmungen von CDU bis Linke finden nicht diese Aufmerksamkeit. Diese Parteien sind einfach nicht so angesagt.

Aber wenn schon umfassende Berichterstattung über einen Text von etwas mehr als einer Seite - dann sollte zumindest die Quintessenz vermittelt und eingeordnet werden. Das ist bei der Berichterstattung zum Text der sachsen-anhaltinischen AfD-Fraktion "Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung" gründlich misslungen. Von ZEIT bis Deutschlandfunk bis MDR konnte man - weithin ausgebreitet - lesen und hören, dass sich die AfD gegen "sexuelle Vielfalt" wende. Weitere Ausführungen zu Adoptionsrecht und Sexualpädagogik wurden lediglich angeschlossen und führten wiederum auf den Vielfaltsgedanken zu.

Ja, gewiss ist die AfD homo- und transfeindlich in ihren Positionen. Aber das ist nicht der Inhalt ihrer vorliegenden Erklärung. Es ist ein kleiner randständiger Bestandteil, aber zentral ist ihre Schrift viel weitreichender - und insbesondere viel völkischer.

Es handelt sich um eine heroische Schrift für "Volk" und "Nation" - was auch immer die AfD darunter versteht -, die dann gleichzeitig "den Staat" geißelt, weil er sich in die Erziehungshohheit der Eltern einmische. Konkret heißt es im Etwas-mehr-als-Einseiter: "Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Sie garantiert den Erhalt unseres Volkes, unseres Staates und unserer Nation." Und etwas später: "In unseren Kindern leben Familie, Volk und Nation fort." Es handelt sich also um eine klare völkische Positionierung und nicht einfach um eine traditionelle oder konservative Aushandlung um ein mehr oder weniger an geschlechtlicher und sexueller Pluralität.

Gleichzeitig grenzt die AfD "Volk" und "Nation" gegen die staatliche Ordnung ab, Zitat: "Wir wenden uns gegen alle Versuche des Staates, in die Erziehungshoheit der Eltern einzugreifen, die natürlichen Vorstellungen, die sich unsere Kinder von Familienleben und Geschlechterrollen bilden, systematisch zu verunsichern..." Auch das ist eine sehr weitreichende Aussage, da sie Kindertagesstätten und Schulen sehr grundlegend in Frage stellt, haben sie doch grundlegend einen Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsauftrag. Wenn Erzieher_innen nicht mehr einschreiten sollen, wenn ein weißes Kind ein Schwarzes Kind verhaut - weil die Eltern der Meinung sind, dass das so zu sein habe -, dann bleibt eigentlich nur die Schließung von Einrichtungen zur Kinder- und Jugendbetreuung und -hilfe sowie Schulen. Gleichzeitig haben diese Einrichtungen gerade deshalb einen Bildungauftrag, weil die Eltern eben nicht in allen 'Schulfächern' gleich gut bewandert sind und z.B. auch erwerbsarbeiten müssen und weil in größeren Gruppen von Kindern und Jugendlichen soziales Lernen gut vonstatten gehen kann.

Die weiteren Ausführungen wenden sich per se gegen jede Sexualpädagogik bei allen Kindern (und möglicherweise sogar bei allen Jugendlichen). Bei "allen Kindern" schließt zumindest die Alterstufen bis 14 Jahre ein. Dabei waren es gerade die Aufdeckungen von sexuellem Missbrauch in Institutionen, die im Jahr 2010 deutlich gemacht haben, dass es konkreter Präventionskonzepte und einer Sexualpädagogik in Einrichtungen bedarf - und nicht eines zögerlichen Bisschens. Gerade dadurch, dass das Sprechen über Körperliches, Genitalien und Empfindungen tabuisiert wurde (und wird), konnte in Einrichtungen über Jahre weg fortgesetzte Gewalt und sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche stattfinden. Selbstverständlich müssen Kinder altersgemäß über Körper, Empfinden aufgeklärt werden; sie müssen eine Sprache haben, um auch benennen zu können, wenn ihnen etwas passiert, was nicht sein soll. Ohne diese Sprache und in einem Mantel des Tabus können sie sich nicht äußern.

Und: "Sexuelle Vielfalt" ist nur ein Randaspekt, gegen den sich der Etwas-mehr-als-Einseiter der AfD Sachsen-Anhalt richtet. Vielmehr kommt bei dem folgenden Absatz sogar die Frage auf, ob Kinder bei Scheidung oder wenn sie bei Alleinerziehenden aufwachsen, aus Sicht der AfD generell aus ihren Familien genommen werden sollen. Im Text heißt es: "Wir bekennen uns zum Recht jedes Kindes auf seinen Vater und seine Mutter. Jeder Mensch auf dieser Welt ist von Mann und Frau gezeugt. Er hat Anspruch darauf, von seinen Eltern behütet, erzogen und versorgt zu werden, bis er in das Erwerbsleben eintritt. Der Staat ist in der Pflicht, alles dafür zu tun, dass Kinder, die ihre Eltern durch Schicksalsschläge verlieren, nach Möglichkeit in einer Adoptionsfamilie aufwachsen können." Soll der letzte Satz etwa auch gelten, wenn ein Elternteil "fehlt"? Gerade wo doch zu Beginn des Absatzes so stark auf das Recht auf "seinen Vater und seine Mutter" gepocht wird...

Erst nachdem das alles gesagt ist, spricht sich die AfD Sachsen-Anhalt gegen das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften aus. Deutlich wird: Es handelt sich um ein Papier, dass aus einer tief nationalistischen und völkischen Sicht einen Familienbegriff bildet, in dem Alleinerziehende, Getrenntlebende, Kinderlose und nicht völkisch denkende Eltern keinen Platz haben. In dieser Reichweite sollte das Papier zur Kenntnis genommen werden und nicht eilig in die üblichen Schubladen für oder wider geschlechtliche und sexuelle Vielfalt gepresst werden. (Und wer selbst nachlesen möchte - hier findet sich das Dokument der AfD Sachsen-Anhalt.)

Auch wenn die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) die Aussagen von Professorin em. Karla Etschenberg gleich durch den Beitragstitel "Das wäre ein Beitrag zur Sexualisierung von Kindern" in die eigene politische Stoßrichtung eindeutig einzutüten sucht, ist das Interview von Etschenberg vielschichtig. Deutlich spricht sie sich in einem Interview zum neuen Rahmenlehrplan zur Sexualerziehung in Hessen für eine Sexualerziehung aus, in der auch die Toleranz gegenüber Lesben, Schwulen, Trans* und Inter* eine wichtige Rolle spielt. Diese Bezüge habe es auch in dem zuvor existierenden Rahmenlehrplan bereits gegeben. Etschenberg stört sich beim neuen Rahmenlehrplan aber daran, dass die klar identitätsbezogene Formulierung "LSBTI" zu plakativ daherkomme und etwa die Bedürfnisse von asexuellen und heterosexuellen Jugendlichen sich darin nicht finden. Das ist ein bedenkenswerter Aspekt, da es in der Sexualerziehung (neuer: Sexuelle Bildung) eigentlich darum gehen sollte, dass Kinder und Jugendliche für ein positives Verständnis und Erleben der eigenen Sexualität befähigt werden sollen, anstatt sich klar in die Schablonen "homosexuell" oder "heterosexuell" einfügen zu müssen. Achtsamkeit muss hier gerade Raum dafür lassen, dass sich Kinder und Jugendliche nicht klar einpassen wollen. Gleichzeitig ist es wichtig - und auch das macht Etschenberg deutlich -, dass Kinder und Jugendliche zu Akzeptanz gegenüber lesbischen und schwulen Beziehungen befähigt werden sollen. Etwaige Forderungen von einem Elternverband nach einer dogmatischen christlichen Sexualmoral in Schulen weist sie zurück und fordert:

"Toleranz hat aber etwas mit Duldung zu tun und klingt gönnerhaft. Das ist betroffenen Menschen in einer aufgeklärten demokratischen Gesellschaft nicht zuzumuten und sollte nicht Grundlage von Sozial- und Sexualerziehung an staatlichen Schulen sein. Die christlich-katholische Sichtweise kann im Elternhaus und im Religionsunterricht thematisiert und begründet werden."

Weiterlesen » » » »

Kleiner Hinweis auf ein kurzes Video beim Kinderkanal KiKa über einen Trans*-Jungen: