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Unbedingt empfehlenswert: "Stop Trans*-Pathologisierung". Seit 2007 hat sich durch die internationale Kampagne "STP-2012" der Kampf gegen die Pathologisierung, die institutionelle und alltägliche Gewalt gegen Trans*-Personen intensiviert. Dabei konnten von den streitenden Trans*-Menschen einige Erfolge erzielt werden - unter anderem gerade in Bezug internationale Vernetzung, kommunalen Aktivismus und intersektionale Weiterentwicklung der Forderungen.

Der vorliegende Band bereitet die neueren Entwicklungen auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Theoriebildung und des politischen Aktivismus auf. Die Autor_innen heben dabei deutlich heraus, wie gerade die Institution Medizin an der Gewalt und Unterdrückung von Trans*-Personen Anteil hat, dadurch dass sie Trans*-Menschen als "krank" stigmatisiert. Die Medizin ist dabei in aktuelle normalisierende gesellschaftliche Entwicklungen eingebunden. D. Demiel schreibt dazu im Band:

"Die heutige Neubelebung stigmatisierender Zuschreibungen gegen Trans* genauso wie insbesondere gegen die so genannten Verlierer_innen der Konkurrenz- bzw. Leistungsgesellschaft darf nicht weiter zugelassen, der Rechtsruck der Gesellschaft nicht weiter stillschweigend in Kauf genommen, Vorurteile dürfen nicht weiter reproduziert bzw. Ängste nicht mehr geschürt werden. Es gilt, die Ursachen und Verursacher_innen für komplexe soziale Probleme klar zu benennen und vereinfachende Lösungsansätze [...] abzulehnen. Rassismus und Ausgrenzung sind Standbeine einer Wirtschaftslogik, die Menschen auf ihren bloßen 'Nutzen' (Mehrwert) bzw. ihre 'Verwertbarkeit' reduziert, sie erpressbar und manipulierbar macht sowie sie entsolidarisieren soll." (S.21)

Insgesamt bietet der Band einen wichtigen fundierten Überblick und macht klar, dass Streiten, das erfolgreich sein soll, 1) international vernetzt, 2) kommunal verankert und 3) intersektional - also mit Blick auf die Verschränkung von Rassismus, Sexismus und Klassismus - erfolgt.

Anne Allex (Hg.)
Stop Trans*-Pathologisierung

Berliner Beiträge für eine internationale Kampagne
ISBN 978-3-940865-36-6 I 2012 I 9,50 EUR
Verlagsinformationen

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Es sind einige neue und gute Schulmaterialien mit praktischen Handreichungen erschienen, mit Blick auf Gender- und Diversity-Kompetenz - gegen rassistische und sexistische Diskriminierung -und dabei auch explizit für den Mathematik- und den naturwissenschaftlichen Unterricht:

1) Genderkompetenz im Mathematikunterricht: Fachdidaktische Anregungen für Lehrerinnen und Lehrer
...wendet sich den gesellschaftlichen Vorurteilen bzgl. unterschiedlicher Fähigkeiten von Jungen und Mädchen zu und regt Lehrer_innen an, diese zu reflektieren...

2) Gender_Diversity-Kompetenz im naturwissenschaftlichen Unterricht: Fachdidaktische Anregungen für Lehrerinnen und Lehrer
...fasst für die naturwissenschaftlichen Fächer Biologie, Chemie und Physik die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammen und regt den tolerierenden Umgang auch mit geschlechtlicher Vielfalt an.

Schließlich gibt es noch einige weitere neue sehr gute Materialien, die sich allgemein der Anerkennung von Vielfalt in der Schule zuwenden:

3) Vielfalt, Integration, Zusammenleben. Unterrichtsmaterialien für die 7. und 8. Schulstufe
Download

4) Ganz schön intim: Sexualerziehung für 6 - 12 Jährige - Unterrichtsmaterialien zum Download
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Der UN-Sonderberichterstatter bzgl. Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung kritisiert in seinem Bericht vom Februar 2013 in dem Abschnitt "Lesbian, gay, bisexual, transgender and intersex persons" deutlich die normalisierenden medizinischen Behandlungspraxen, die oft zu schweren Schädigungen der behandelten Personen führen. Dabei wendet er sich in eigenen kurzen Abschnitten explizit deutlich gegen die gewaltvollen und traumatisierenden Geschlechtszuweiseungen bei intergeschlechtlichen Menschen. In einem weiteren Abschnitt kritisiert er ebenso klar die sich gegen Transgender richtenden sterilisierenden Eingriffe. Konkret:

"...hormone therapy and genital-normalizing surgeries under the guise of so called “reparative therapies”. These procedures are rarely medically necessary, can cause scarring, loss of sexual sensation, pain, incontinence and lifelong depression and have also been criticized as being unscientific, potentially harmful and contributing to stigma (A/HRC/14/20, para. 23). The Committee on the Elimination of Discrimination against Women expressed concern about lesbian, bisexual, transgender and intersex women as “victims of abus es and mistreatment by health service providers” (A/HRC/19/41, para. 56).

77. Children who are born with atypical sex characteristics are often subject to irreversible sex assignment, involuntary sterilization, involuntary genital normalizing surgery, performed without their informed consent, or that of their parents, “in an attempt to fix their sex”, leaving them with permanent, irreversible infertility and causing severe mental suffering.

78. In many countries transgender persons are required to undergo often unwanted sterilization surgeries as a prerequisite to enjoy legal recognition of their preferred gender. In Europe, 29 States require sterilization procedures to recognize the legal gender of transgender persons. In 11 States where there is no legislation regulating legal recognition of gender, enforced sterilization is still practised..."

Der ganz Bericht findet sich hier: Report of the Special Rapporteur on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment, Juan E. Méndez.

Gute Beiträge dazu finden sich hier (dieStandard) und hier (Zwischengeschlecht).

Ausreichende Änderungen im Deutschen Bundestag stehen noch aus! Die geschlechtszuweisenden Eingriffe sind noch nicht verboten! Und auch Trans*-Peronen werden noch immer als zu behandelnde Kranke hingestellt (aktuelle Petition: "Transsexualität ist keine psychische Krankheit")!

Koray Yılmaz-Günay hat ein sehr gutes Interview veröffentlicht. Darin macht er deutlich, dass Kritik intersektional sein muss. Yılmaz-Günay: "Es ist verheerend, dass eine bleibende Kritik meist nur von den «Betroffenen» formuliert wird. Eine der Ausweglosigkeiten, die mich am meisten beschäftigten, ist die Abkoppelung von marxistischer Analyse, Feminismus und Rassismus-Kritik. Wenn eine Reinigungskraft mit Kopftuch noch nie Anstoß erregt hat, dafür aber buchstäblich jede Kopftuchträgerin, die Lehrerin werden wollte, dann müssen wir in der Analyse Sexismus, Rassismus und Klassenverhältnisse zusammendenken." Das vollständige Interview findet sich hier.

NEUERSCHEINUNG - Das Buch ist nun überall im Buchhandel erhältlich:

Biologie & Homosexualität: Theorie und Anwendung im gesellschaftlichen Kontext
Heinz-Jürgen Voß
Unrast, 87 Seiten, 7,80 EUR
ISBN 978-3-89771-122-8
Verlagsinformationen und Bestellmöglichkeit.
Übersicht über bereits erschienene Rezensionen.

Cover des Buches Biologie und Homosexualität

Kurztext:
Der Biologe Heinz-Jürgen Voß erläutert die historischen und aktuellen biologischen Forschungen zur „Homosexualität“. Dabei stehen Theorien der Keimdrüsen- und Hormonforschung, der Genetik, Neurobiologie und Evolutionsbiologie sowie ihre jeweiligen Methoden im Fokus. Der Autor arbeitet heraus, dass die Forschung vielfach von dem Ziel geleitet war, gleichgeschlechtliches sexuelles Begehren auszulöschen.

Klappentext:
Das Konzept ›Homosexualität‹ entstand im 19. Jahrhundert und ist eng mit Biologie und Medizin verwoben. Vor dem Hintergrund der massiven staatlichen Verfolgung gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen argumentierten Menschen mit der ›Natürlichkeit‹ gleichgeschlechtlichen sexuellen Tuns. Auch die Gegenseite argumentierte biologisch-medizinisch. Beide Richtungen trugen damit dazu bei, dass „Homosexualität“ als Konzept etabliert und Biologie und Medizin zu bestimmenden Instanzen über die Legitimität sexuellen Handelns wurden.
Ausgehend von der Genese des Homosexualitäts-Diskurses erläutert der Biologe Heinz-Jürgen Voß die damit verbundenen biologischen Theorien und arbeitet heraus, dass die Forschung vielfach von dem Ziel geleitet war, gleichgeschlechtliches sexuelles Begehren auszulöschen. Die Grenzen zu Menschenexperimenten wurden dabei auch noch nach 1945 überschritten.

Biographische Informationen:
Heinz-Jürgen Voß (Dipl. Biol., Dr. phil.) studierte in Dresden und Leipzig Diplom-Biologie und promovierte in Bremen zur gesellschaftlichen Herstellung biologischer Geschlechtertheorien. Er_sie ist antirassistisch, antifaschistisch und queer-feministisch politisch aktiv. Forschungsschwerpunkte sind: Geschichte und Ethik der Medizin und Biologie sowie biologisch-medizinische Geschlechtertheorien. Aktuell arbeitet Voß als externe_r Mitarbeiter_in am Lehrstuhl Sprachwissenschaft und therapeutische Kommunikation der Europa Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

Übersicht über bereits erschienene Rezensionen.

Weitere Buchpublikationen.

Liebe Leute,

ich bin eben über diese Ausschreibung der Universität Oldenburg gestolpert, in der sich nun offenbar "Gender mainstreaming" schon ins Gegenteil verkehrt - Männer nämlich offenbar in Bereichen begünstigt werden sollen, in denen derzeit mehr Frauen beschäftigt sind. Dagegen erweisen sich ja die männlich dominierten Bereiche stets als "harte Nüsse" - ein Aufbrechen ist dort schwierig, weil gerade die männlich geprägten Bereiche prestigeträchtig und lukrativ sind (im Gegensatz zu den weiblich dominierten Bereichen).

Hier die entsprechende Passage der Universität Oldenburg: "Die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg will die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern besonders fördern und fordert deshalb das in dem Bereich unterrepräsentierte Geschlecht auf, sich zu bewerben." (volle Quelle: http://www.uni-oldenburg.de/stellen/?stelle=61654 )

Noch deutlicher findet sich das in einer entsprechenden Anzeige der Universität Hildesheim: "Die Stiftung Universität Hildesheim will die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern besonders fördern. Sie strebt eine Erhöhung des Männeranteils an in Bereichen, in denen Männer unterrepräsentiert sind. Daher sind Bewerbungen von Männern besonders erwünscht." (Volltext: https://www.uni-hildesheim.de/index.php?id=6509&tx_ttnews[tt_news]=7036&cHash=c417898d373ee6625cb7ab539e6a98d8 )

Ich denke, dass solche Umdeutungen nicht einreißen dürfen, sondern es um eine konsequente Frauenförderung gehen muss, um Männerdominanz an den Universitäten zu brechen. Selbstverständlich müssen dabei mehr als bisher auch Women of Color berücksichtigt werden.

Vielleicht hat die_der eine oder andere (oder z.B. KEG oder FG Gender) Möglichkeiten, wirkungsvoll zu intervenieren? Auch die neue rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen sollte hier dringenden Handlungsbedarf sehen und mit dieser Macho-Politik an den Hochschulen Schluss machen!

An dieser Stelle sei auf einen lesenswerten Beitrag bei Queer.de verwiesen: Wissenschaftler_innen kritisieren bereits seit längerem, dass in der medialen Berichterstattung gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten unter Tieren als "homosexuell", "schwul" und "lesbisch" bezeichnet wird. Verhaltensweisen unter Tieren könnten nie unter diesem identitäten verständnis gefasst werden (vgl. etwa hier und hier).

Nun kritisieren Wissenschaftler_innen um Dr. Brett Mills, dass in Tierdokumentationen sexuelle Verhaltensweisen, die dem heterosexuellen Denken der Filme-Macher_innen widersprechen, schlicht weggelassen werden. Besteigt etwa ein Männchen ein anderes, geht das in die Tierdokumentationen nicht ein, sondern wird aus dem Rohfilmmaterial herausgeschnitten. Es handelt sich also quasi um Zensur solchen Materials, dass nicht den normativen Vorstellungen der Filme-Macher_innen entspricht...

Der Beitrag bei Queer.de.

Inhaltlich auf diesem Blog:
Geschlecht und Sexualität in Schulbüchern – weiterhin heteronormativ.
Dass Tiere Sex nur zu Zwecken der Fortpflanzung betrieben, sei kompletter Unsinn.

Wissenschaftlich fundiert zu gleichgeschlechtlichem sexuellen Verhalten bei versch. Tierarten:
Bruce Bagemihl (1999): Biological Exuberance: Animal Homosexuality and Natural Diversity. St. Martin’s Press (Hardcover).
Joan Roughgarden (2004 / 2009): Evolution’s Rainbow: Diversity, Gender, and Sexuality in Nature and People. University of California Press.
Smilla Ebeling (2006): Alles so schön bunt. Geschlecht, Sexualität und Reproduktion im Tierreich. In: Ebeling, Kirsten Smilla, Schmitz, Sigrid (Hrsg.): Geschlechterforschung und Naturwissenschaften – Einführung in ein komplexes Wechselspiel. Wiesbaden. VS Verlag.

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Die überraschende NEURegelung des Personenstandes im Deutschen Bundestag stößt auf die Kritik der Selbstorganisationen intergeschlechtlicher Menschen. Mit der Regelung soll der Artikel 22 um die folgende Passage erweitert werden: "Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen." Die Vereinigungen intergeschlechtlicher Menschen kritisieren u.a., dass ihrer zentralen Forderung nach dem Ende der gewaltsamen und traumatisierenden geschlechtszuweisenden medizinischen Eingriffe nicht nachgekommen wird. Zudem könnten sich mit der Regelung problematische Auswirkungen für intergeschlechtliche Menschen wie Zwangsoutings ergeben.

Mitteilung Zwischengeschlecht.info: Staatliches Zwangsouting für "Intersex-Kinder" - Freipass für GenitalabschneiderInnen

Mitteilung Zwischengeschlecht.info - Intersex-Fakten

PM IVIM Mogelpackung für Inter*: Offener Geschlechtseintrag keine Option

Recht guter Beitrag bei Queer.de - Personenstandsgesetz an Intersexuelle angepasst, Deutliche Kritik an neuer Regelung

Bei einer aktuellen Rede im Deutschen Bundestag hat die Abgeordnete Ulla Jelpke (Die Linke) die Abgeordneten aller Fraktionen und die Bundesregierung noch einmal eindringlich darauf hingewiesen, dass es notwendig ist die Rechte sowohl Intersexueller als auch Transsexueller zu stärken. Ist die rede auch dem Anlass entsprechend notwendig kurz gehalten - und mangelt es so auch an begrifflicher Differenzierung - so schließt Jelpke mit dieser Rede an das andauernde Engagement an, das ihre Fraktion in Bezug auf freie Entfaltung der Geschlechtsidentität, gegen die traumatisierenden geschlechtszuweisenden Eingriffe, die sich gegen intergeschlechtliche Menschen richten und für freie Gestaltung der sozialen Beziehungen zwischen Menschen (erinnert sei hier an das "Wahlverwandtschaftsmodell") eintritt. Eine Auflistung der Initiativen der letzten Jahre zu Intersexualität / Intergeschlechtlichkeit findet sich hier - bereits in den 1990er Jahren stellte die Fraktion Anfragen zur Situation intergeschlechtlicher Menschen, die allerdings von der Bundesregierung stets sehr zurückhaltend beantwortet wurden.

66 Abgeordnete des Deutschen Bundestages hatten im vergangenen Jahr einen alternativen Gesetzentwurf zur Vorhautbeschneidung eingebracht (Drucksache 17/11430), der - hätte er Erfolg gehabt - in letzter Konsequenz jüdisches Leben in der Bundesrepublik Deutschland unmöglich gemacht hätte. Hans Guggenheim hat nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfes alle 66 Abgeordneten mit einem offenen Brief angeschrieben. Lediglich von 12 der Abgeordneten erhielt er darauf hin eine Antwort, worauf Guggenheim erwiderte - also auf etwaige Frage von Abgeordneten antwortete bzw. deren Argumentation entgegnete. Freundlicherweise hat Hr. Guggenheim dieses Material zur Verfügung gestellt und zugestimmt, es an dieser Stelle zugänglich zu machen. Ich denke, dass dieses Material gut geeignet ist, um die Debatte zu reflektieren und später wissenschaftlich aufzuarbeiten. Hier ist das Material als pdf-Datei (13,4 MB) - herzlichen Dank dafür!