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Studie der Hochschule Merseburg belegt hohe Betroffenheit Diversgeschlechtlicher von sexueller Gewalt

Studie der Hochschule Merseburg weist hohe Betroffenheit diversgeschlechtlicher und weiblicher Personen von Belästigungen und Vergewaltigungen nach.

Kürzlich wurde an der Hochschule Merseburg die PARTNER 5 Jugendstudie vorgestellt. Sie weist eine hohe Betroffenheit insbesondere diversgeschlechtlicher und weiblicher Personen von Belästigungen und Vergewaltigungen nach. Aber auch die Zahlen für Jungen und junge Männer sind alarmierend. Deutlich wird, dass ein Ausbau der Beratungs- und Unterstützungsstrukturen dringend erforderlich ist.

Die Studie

Die PARTNER 5 Jugendstudie wurde Anfang 2020 als Paper-Pencil-Befragung an Bildungseinrichtungen Sachsen-Anhalts begonnen und aufgrund der Corona-Pandemie als onlinebasierte Studie fortgeführt. Teilgenommen haben bundesweit 1.443 Personen. Die gültige Stichprobe umfasst die Antworten von 861 Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren, darunter 522 Mädchen/Frauen, 297 Jungen/Männer sowie 42 Personen mit diverser Geschlechtsidentität. Die „gültige“ Stichprobe ist geringer, weil nur die Angaben derjenigen Teilnehmenden eingegangen ist, die zwischen 16 und 18 Jahren waren und das Feld „Geschlecht“ ausgefüllt hatten. Insgesamt ergeben sich belastbare, also aussagekräftige Zahlen.

Es gibt eine Schwesternstudie – die PARTNER 5 Erwachsenenstudie, an der Personen zwischen 18 und 84 Jahre teilgenommen haben. Bei ihr konnten die Daten von 3.466 Personen ausgewertet werden, darunter 1.892 Frauen, 1.433 Männer und 141 Personen mit diverser Geschlechtsidentität.

Der Name PARTNER 5 verweist darauf, dass es sich um eine wiederkehrende Studie handelt – die erste fand im Jahr 1972 in der DDR statt –, sodass auch historische Vergleiche möglich sind. Es ist eine komplexe sexualwissenschaftliche Untersuchung, bei der sowohl positive Aspekte von Sexualität – Selbstbefriedigung, Nutzung von Sexspielzeug, gleich- und andersgeschlechtlicher Sex – als auch negative Aspekte wie Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt eine Rolle spielen. Da die Untersuchung vom Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt finanziert wurde, stand bei der ersten Auswertung das Thema Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt im Mittelpunkt.

Ergebnisse: Belästigung

Nahezu alle weiblichen und diversgeschlechtlichen Befragten haben Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht, angefangen bei verbalen Belästigungen – Catcalling –, bis hin zu Berührungen und Stalking. Bei den Jungen und Männern haben zumindest 52 % (Jugendliche) bzw. 54 % (Erwachsene) vergleichbare Erfahrungen. Die folgende Abbildung zeigt ausgewählte Befunde für Jugendliche und Erwachsene weiblicher und diverser Geschlechtsidentität:

Abb. 1: Ergebnisse aus der PARTNER 5 Studie zu Belästigungserfahrungen.

Die Ergebnisse zu Belästigung zeigen an, wie verbreitet noch immer Belästigungen sind. Die Sensibilität für sie ist durch Kampagnen wie #metoo und #aufschrei gewachsen, gleichwohl bleibt viel zu tun.

Ergebnisse: Vergewaltigungsversuch

Die Angaben zu erlebten Vergewaltigungsversuchen und Vergewaltigungen sind alarmierend. In der PARTNER 5 Studie wurde konkret gefragt: „Haben Sie das Folgende erlebt? Jemand versuchte, mich zum Geschlechtsverkehr oder anderen sexuellen Handlungen zu zwingen.“ Diese Formulierung deckt den Straftatbestand der Vergewaltigung ab, ist aber so gewählt, dass Personen tatsächlich ihre Erfahrungen angeben und sich nicht durch den „groß“ wirkenden Begriff „Vergewaltigung“ abgeschreckt fühlen. Hier sind die Angaben wie folgt:

Abb. 2: Ergebnisse aus der PARTNER 5 Studie zu erlebtem Vergewaltigungsversuch.

Die Ergebnisse bestätigen schon für Jugendliche die wissenschaftlich bekannten Zahlen. Es gibt hohe Betroffenheiten von Vergewaltigung. Die Zahlen für diversgeschlechtliche Personen zeigen eine Belastung an, die noch höher als bei Mädchen und Frauen liegt. Aber auch die „geringen“ Zahlen für Jungen und Männer weisen auf Belastungen hin, die einer professionellen Beratung und Unterstützung bedürfen, die es vielerorts noch nicht gibt.

Ableitungen

Die Ergebnisse für diversgeschlechtliche Personen zeigen einen hohen Bedarf an Beratungs- und Unterstützungsangeboten an. Bislang gibt es hier kaum Beratungsstellen, die adäquat aufgestellt sind, um Unterstützung zu leisten. So können diversgeschlechtliche Personen auch in Fachberatungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt Diskriminierungen erfahren. Hier zeigt sich ein Bedarf an Fortbildungen! Aber insgesamt ist die Beratungs- und Unterstützungslandschaft im Themenfeld sexualisierte Gewalt noch gering: Unbedingt erforderlich wäre, dass in jedem Landkreis der Bundesrepublik eine Fachberatungsstelle vorhanden ist! Und sie muss auch sensibel für die Belange von diversgeschlechtlichen Personen und LSBTTIQ* sein. Diese wohnortnahe Fachberatungsstelle ist daher nötig, da Kinder und Jugendliche sich oft nur in einem begrenzten Radius bewegen können und Traumatisierte ihre eigene Umgebung benötigen, in der sie sich sicher fühlen. Sie können jeweils nicht erst zig Kilometer reisen, um Beratung in Anspruch zu nehmen und Unterstützung zu finden. 

Fragen zur Studie?

Die Ergebnisse der Studie finden sich umfassend hier: https://www.ifas-home.de/partner-5-jugenderhebung/ und https://www.ifas-home.de/partner-5-erwachsenensexualitaet-2020-21-primaerbericht-zu-sexuellen-grenzverletzungen-und-sexualisierter-gewalt/ .

Der Beitrag erschien zuerst im Oldenburger Magazin „Rosige Zeiten“ (Heft Nr. 190).

Ein Gedanke zu „Studie der Hochschule Merseburg belegt hohe Betroffenheit Diversgeschlechtlicher von sexueller Gewalt

  1. Dani S. W.

    Ich bin in dem Feld nicht so eingearbeitet wie ich sein wollte. Hallo "pay walls"! Mein Eindruck ist aber, dass Geschlechterrollen, Opfer-Täter-Streotype ("ideal victim"), heteropatriarchale Strukturen. etc. beitragen, dass Identifizierung und Report von sexueller Übergriffigkeit sowie deren Erforschung in Bezug auf verschiedene Geschlechter noch immer sehr unterschiedlich ausgeprägt ist.

    Besondere Schwierigkeiten für die Erforschung sehe ich darin, dass gesellschaftliche Narrative auch auf Betroffene von sexueller Gewalt wirken, sodass die Bewertung von sexueller Gewalt als solche oder die Verleugnung derselben (um ein positives Selbstbild aufrecht erhalten zu können) in den Geschlechtergruppen recht unterschiedlich ausgeprägt sein dürfte.

    Die Arbeiten/Befunde von Prof. Lara Stemple (die da einen Forschungsschwerpunkt hat), die ich kenne (und die leider binärgeschlechtlich ausgerichtet waren) fand ich jedenfalls recht erhellend. Mein (auch biographisch bedingtes) Unwohlsein in Bezug auf den bisheringen Forschungsfokus auf endogeschlechtliche cis weibliche Personen wurde da bestätigt.

    Ich bin der festen Überzeugung, dass der gesellschaftliche Diskurs bzgl. der hohen Prävalenz sexueller Übergriffigkeit geschlechterübergreifend, aber geschlechtersensibel dringend geführt werden muss. Ich glaube auch dass bisherigen einseitigen Annahmen (Geschlechtsannahmen über Täter*innen und Opfer; sexuelle Gewalt aus Ausnahme-Phänomen) dem Verstehen, der Präventionsarbeit und den Überlebenden von Übergriffen schaden.

    ... nun bleibt mir noch: Ganz herzlichen Dank für das (Mit)Erstellen der Studie und das öffentliche Teilen.

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