Zur unbedingt notwendigen Verbindung von Queer & Kapitalismuskritik ist eine breitere Debatte in Gang gekommen, die es lohnt, zu verfolgen und fortzusetzen. Es erscheint mir wichtig, nicht einfach die "Wertabspaltungstheorie" von Roswitha Scholz zur Kenntnis zu nehmen und sie dann stetig zu wiederholen, sondern damit weiterzuarbeiten! Interessant sind hierzu einerseits Überlegungen, warum es niemals im Sinne kapitalistischer Produktionsweise (kapitalistischer gesellschaftlicher Verhältnisse) war, alle Frauen von Erwerbsarbeit auszuschließen (vgl. Punkt [4] im Folgenden), sondern auch die aktuellen neoliberalen Verhältnisse zu reflektieren, diese zu verstehen und praktisches Handeln abzuleiten (hierzu [4] und [5] im Folgenden). Die Antworten werden intersektional sein müssen - warum wird bei der Lektüre von [6] deutlich. Nebenbei wird auch klar, warum von den Herrschenden (ihre Privilegien absichernden) eine vermeintliche "Natürlichkeit" (im Sinne von Vorgegebenheit und Unabänderlichkeit) zentralen Bestandteil der Argumentation bildet (schon Simone de Beauvoir führte dies aus ["Das andere Geschlecht"], vgl. in diesem Sinne auch "Geschlecht: Wider die Natürlichkeit"). Nun die entstandene Diskussion zu Queer & Kapitalismuskritik chronologisch:
1) Dieser Beitrag löste die Debatten aus: "Diverser leben, arbeiten und Widerstand leisten - Queerende Perspektiven auf ökonomische Praxen der Transformation" (Kathrin Ganz, Do. Gerbig)
2) Es erschien darauf hin diese Kritik: "Queerfeministische Ökonomiekritik? Eine Randnotiz zum Ende des Kapitalismus" (Salih Alexander Wolter)
3) Hier wurde diese Kritik noch einmal unterlegt: "Weg mit dem Queer-Ding! Ansätze für eine queere Kapitalismuskritik" (Heinz-Jürgen Voß)
4) Es gilt sehr grundsätzlich die Verwobenheit von Geschlecht und Kapitalismus zu verstehen - unter anderem warum Kapitalismus stets auch auf Frauenarbeit zielte und warum die Differenzierung in zwei Geschlechter so gut nutzbar ist: Geschlecht und kapitalistische Produktionsweise - Queer und Antikapitalismus: Skizzen für neue Perspektiven (Heinz-Jürgen Voß)
5) Einige weitere wichtige Überlegungen, wie wir weiterdenken und eine Praxis entwickeln können, finden sich hier: a) In diesen Arbeiten von Volkmar Sigusch (u.a. "Die Mystifikation des Sexuellen"). b) In diesem zentralen Aufsatz von Nancy Peter Wagenknecht ("Formverhältnisse des Sexuellen"). c) In dem von Heike Friauf hrsg. Band "Eros und Politik", dort u.a. der Beitrag von Leo Kofler "Eros, Ästhetik, Politik - Thesen zum Menschenbild bei Marx".
6) Perihan Mağdens Roman "Ali und Ramazan" macht sehr gut literarisch klar, dass und wie ökonomische und sexuelle Fragen in Verbindung stehen (also: "Intersektionalität"!). Die Autorin stellt ihrem Buch ein Zitat voran: „Leute, die über Revolution reden, oder über Klassenkampf, ohne sich dabei explizit auf das alltägliche Leben zu beziehen, die nicht verstehen, was subversiv an der Liebe ist und was positiv ist an der Zurückweisung von Beschränkungen, solche Leute haben eine Leiche in ihrem Mund.“ Rezensionen, die die Anschlussmöglichkeiten für Queer & Kapitalismuskritik umreißen, finden sich hier und hier.