Springe zum Inhalt

Der von Magnus-Hirschfeld Stiftung gemeinsam mit dem Bundesverband Trans* veranstaltete Vortrag „Nur zwei Geschlechter? Zur Dekonstruktion des Geschlechts in der Biologie“ ist nun online.

Der von Magnus-Hirschfeld Stiftung gemeinsam mit dem Bundesverband Trans* veranstaltete Vortrag „Nur zwei Geschlechter? Zur Dekonstruktion des Geschlechts in der Biologie“ ist nun online. Heinz-Jürgen Voß, Professor*in für Sexualwissenschaft und Sexuelle Bildung an der Hochschule Merseburg, referiert dort insbesondere aus evolutionsbiologischer und entwicklungsbiologischer Perspektive zu Geschlecht und geschlechtlicher Fortpflanzung.

Der auf Geschlechtsentwicklung fokussierte Schwerpunktvortrag "Die vielen Geschlechter der Biologie – zur Debatte an der Humboldt-Universität zu Berlin" ist hier zugänglich, eine Literaturliste zum Thema findet sich hier.

Sehr gern empfehle ich den lesenswerten und literarisch gut gearbeiteten Beitrag "Mann, oh Mann!" von Adriano Sack und Frédéric Schwilden, der in der gestrigen Ausgabe der Welt am Sonntag erschienen ist. Er macht alles das, was ein guter Zeitungsbeitrag tun soll: Er informiert, unterhält, bestätigt und ermuntert zu Kritik. Hier ist der Beitrag online: http://www.welt.de/print/wams/lifestyle/article154429121/Mann-oh-Mann.html .

3

Zuerst veröffentlicht und zitierbar als: Voß, Heinz-Jürgen (2014): 'Der Mann' und Männlichkeiten in ihrer Einbindung in Herrschaftsverhältnisse. Swissfuture, 1 (2014): 29-31. Hier als pdf-Datei.

 

‚Der Mann‘ und Männlichkeiten in ihrer Einbindung in Herrschaftsverhältnisse
Heinz-Jürgen Voß

Bei der Frage nach „der Zukunft des Mannes“ muss man sich allererst fragen: Wer ist denn eigentlich ‚der Mann‘. Wo kommt er her? ‚Der Mann‘, wie er auch heute – noch immer, bei allen Veränderungen – verhandelt wird, stellt lediglich ein geronnenes Ideal dar. Gefüllt mit vielfältigen Vorstellungen, ist dieses Konzept der bürgerlichen Gesellschaft stets labil gewesen und wurde nur einigermaßen fest in ein Herrschaftssystem aus Rassismus, Geschlecht und Klasse eingewoben. Gleichwohl scheint es zunehmend an seiner Grundanlage zu scheitern: Die vielfältigen Lebensweisen, die individuellen Unterschiede in Merkmalen, in ‚Stärken‘ und ‚Schwächen‘ scheinen sich immer schwieriger in das klare Muster ‚Mann‘ fügen zu wollen. Heute ist von Flexibilisierung und Individualisierung der Lebensweisen die Rede, es wird von der Pluralform, von ‚den Männlichkeiten‘ statt ‚der Männlichkeit‘, gesprochen. ‚Der Mann‘, erst durch Kategorisierung und Kanonisierung bestimmter Merkmale (beim Weglassen anderer) und durch Disziplinierung und Zurichtung hergestellt, scheint zu verschwinden. Die Veränderung passt gut zu den sich wandelnden Anforderungen des im globalen Norden stärker dienstleistungsorientierten Kapitalismus.

Aufgekommen ist ‚der Mann‘ mit der modernen bürgerlichen, der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Als es darum ging, ob auch Frauen, Juden, Menschen aus dem Proletariat und die Kolonialisierten Menschenrechte erhalten sollten, blieb eine Personengruppe unbenannt, für die diese Rechte nicht in Frage stand. Es waren die weißen und bürgerlichen europäischen Männer. Ihre privilegierte Position in der Gesellschaft, ihre öffentliche Präsenz, ihre Werte präg(t)en in besonderem Maße die modernen Gesellschaften und füll(t)en – gerade in Abgrenzung gegenüber anderen Menschen – die Vorstellung davon, was denn ‚der Mann‘ sei.Weiterlesen » » » »