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Schweizer und Richter-Appelt geben in dem aktuellen Band "Intersexualität kontrovers" einen Ausblick auf weitere Ergebnisse der "Hamburger Studie zur Intersexualität“, die über ihre bisherigen Betrachtungen hinausreichen.

Sie schreiben: „Weitere Ergebnisse beziehen sich auf Aspekte der Lebensqualität in verschiedenen Lebensbereichen. Insgesamt fällt eine hohe Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens auf. So litten über 60% der Teilnehmenden sowohl unter einer hohen psychischen Symptombelastung als auch unter einem beeinträchtigten Körpererleben. […] Die psychische Symptombelastung, die z.B. anhand depressiver Symptome, Angst und Misstrauen erfasst wurde, entsprach bei 61% der Befragten einem behandlungsrelevantem Leidensdruck […]. Auch hinsichtlich Partnerschaft und Sexualität zeigte ein Großteil der Befragten einen hohen Belastungsgrad. […] Fast die Hälfte (47%) der Befragten, die an den Genitalien operiert wurden, berichteten sehr viel häufiger über Angst vor sexuellen Kontakten und Angst vor Verletzungen beim Geschlechtsverkehr als die nicht-intersexuelle Vergleichsgruppe“. (aus: "Intersexualität kontrovers", S.196f)

Michael Groneberg kommt vor dem Hintergrund dieser und weiterer Behandlungsergebnisse der frühen geschlechtszuweisenden Interventionen bei Intersex zu dem Schluss: „Zu fragen, welche spezifischen Eingriffe zur Geschlechtsanpassung zu vermeiden sind, folgt der falschen Logik. Vielmehr gilt: Kein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes zum Zweck der Geschlechtsanpassung oder -zuweisung ist erlaubt. Ausnahmen wie die Abwendung von Gefahr für Leib und Leben sind klar zu regeln und zum Teil bereits geregelt. […] Auch die UN-Kinderrechtskonvention stellt die Geschlechtsidentität unter Schutz und setzt der Entscheidungsgewalt der Eltern eindeutige Grenzen“. (aus: "Intersexualität kontrovers", S.498) Zu dieser Aussage kommt er, weil medizinische Behandlungen grundlegend darauf orientieren sollen, Menschen zu nutzen und nicht ihnen zu schaden.

Mittlerweile ist die Datenlage erdrückend, dass geschlechtszuweisende Interventionen, die oft schon im frühen Kindesalter stattfinden (und übrigens medizinisch nicht notwendig sind), massives Leiden bei den so Behandelten verursachen. Sie widersprechen grundlegend den medizinethischen Prinzipien und müssen ein Ende haben. Dieses Ende ist durch die anstehenden Beratungen und Entscheidungen im Bundestag (und dessen familienausschuss) möglich -das weitere Streiten für das Ende der Interventionen nötig.

("Intersexualität kontrovers: Grundlagen Erfahrungen Positionen", erschienen im Psychosozial-Verlag, Link zum Buch.)