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Dorothea Christiane Leporin (verh. Erxleben) – die erste promovierte Ärztin der deutschen Länder starb vor 250 Jahren

Von den sich herausbildenden modernen Wissenschaften wurden Frauen lange Zeit vollständig ausgeschlossen. Im Deutschen Reich änderte sich das erst Anfang des 20. Jahrhundert grundlegend, erhielten Frauen Immatrikulationsrecht. Seit den 1920er Jahren konnten sich Frauen auch habilitieren. Nur ausnahmsweise war es zuvor Frauen möglich, an deutschen Universitäten als Gasthörerinnen universitäre Veranstaltungen zu besuchen. Das ging insbesondere dann, wenn sie aus dem Ausland - etwa aus Russland - kamen. Sie erschienen dann den Professoren nicht als heranwachsende Konkurrenz.

Die Disziplin, in der sich zahlreiche Professoren am schärfsten und am längsten gegen das Studium von Frauen wandten, war die Medizin. Während sich Professoren in anderen Disziplinen bereits zu Ende des 19. Jahrhunderts offen zeigten, Frauen als Studierende in ihren Vorlesungen zuzulassen, gab es in der Medizin eine vehemente Abwehr. Hediwg Dohm fasste das in ihrer prägnanten Schrift "Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung" (1902, hier im Volltext online) folgendermaßen: „Die Frauenfrage in der Gegenwart ist eine akute geworden. Auf der einen Seite werden die Ansprüche immer radikaler, auf der anderen die Abwehr immer energischer. Letzteres ist erklärlich. Je dringender die Gefahr der Fraueninvasion in das Reich der Männer sich gestaltet, je geharnischter treten die Bedrohten entgegen. [...] „Daß es vorzugsweise Ärzte sind, die zu einem Kreuzzug gegen die Frauenbewegung, der sie im voraus die Grabrede halten, rüsten, ist erklärlich. […] Die Ausübung der Medizin ist das erste Eroberungsgebiet, auf das die Frauen bereits ihren Fuß gesetzt haben.“ Und auch heute ist der Ausschluss von Frauen nicht ausgestanden: Der Anteil von Frauen an den Professuren der medizinischen Fakultäten ist gering, Fakultätsräte zeigen sich fast oder ganz frei von Frauen und präsentieren sich nicht selten als die Männerdominanz erhaltende Institutionen.

Daher ist es gleichermaßen historisch und aktuell interessant und wichtig, einen Blick auf die "Vorstreiterinnen" für das Studium und Berufsmöglichkeiten für Frauen zu werfen. Eine von ihnen ist Dorothea Christiane Leporin (verh. Erxleben), deren Todestag sich heute zum 250. mal jährt.

Geboren 1715, aus Quedlinburg stammend, wurde Leporin schon früh von ihrem Vater, der selbst als Mediziner tätig war, in Heilkunde unterrichtet – mit großem Erfolg. Dennoch blieb ihr die Universität zunächst verwehrt, bis ihr - auf eigenes Gesuch hin - Friedrich II. 1741 ausnahmsweise gestattete die Promotion abzulegen. (Die Entscheidungszeit ist auch daher spannend, da in diese auch die Fahnenflucht ihrer Brüder fiel - sie entzogen sich dem Militärdienst, weil sie mit Studium und Kaufmannslehre besseres vor hatten.)

Kurz darauf mit Johann Christian Erxleben verheiratet, der fünf Kinder mit in die Ehe brachte und mit dem sie vier weitere gemeinsame Kinder hatte, machte Leporin von der Erlaubnis zunächst keinen Gebrauch. 1742 veröffentlichte sie „Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten“, in der sie fundiert bewies, dass Frauen wie Männer zum Studium tauglich seien (vgl. Voß, "Making Sex Revisited", S.110/111). Nach dem Tod des Vaters übernahm sie dessen Praxis. Erst 1754, nach wiederholten, von missgünstigen männlichen Ärzten vorgebrachten Vorwürfen medizinischer Pfuscherei, promovierte Leporin in Halle (Saale) zur Dr. med. - die königliche Genehmigung ermöglichte dies ausnahmsweise. Bis zu ihrem Tod führte sie eine erfolgreiche Praxis in Quedlinburg.

Aus Anlass ihres 250. Todestages findet heute ein Festakt in Halle (Saale) statt.

Literatur:
Voß, Heinz-Jürgen (2010): Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive. Bielefeld: Transcript. (S.110f, 352f)
Markau, Kornelia (2006): Dorothea Christiana Erxleben (1715 – 1762): Die erste promovierte Ärztin Deutschlands. Eine Analyse ihrer lateinischen Promotionsschrift sowie der ersten deutschen Übersetzung. Halle (Saale), urn:nbn:de:gbv:3-000010362. (Online: http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/06/06H090/t1.pdf ; zum Lebenslauf insbesondere interessant: http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/06/06H090/t4.pdf )

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