Der Deutsche Ärztetag hatte die Öffentlichkeit und die Fachöffentlichkeit mit zwei Beschlüssen zum Selbstbestimmungsgesetz überrascht. Mittlerweile gibt es verschiedene Stellungnahmen. Hier findet sich ein erster Beitrag auf diesem Blog.
Nun hat sich auch der wissenschaftliche Fachbeirat der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld geäußert. In der Stellungnahme heißt es unter anderem:
"Die beiden vom Deutschen Ärztetag angenommenen Anträge lassen eine Orientierung an Evidenz vermissen, auf die sich die Ärzt_innenschaft eigentlich verpflichtet hat. Sie stellen vielmehr eine politische Stellungnahme dar, die sogar der bereits verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz widerspricht. Es ist uns unerklärlich, wie derart unwissenschaftliche Anträge auf dem Ärztetag angenommen werden konnten.
Stellungnahme des wiss. Fachbeirats der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Quelle: https://mh-stiftung.de/2024/05/27/bmh-fachbeirat-kritisiert-beschluesse-des-dt-aerztetages-neubefassung-gefordert/
Der Fachbeirat der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld fordert den Deutschen Ärztetag zu einer Neubefassung auf, bei der die entsprechenden Fachwissenschaftler_innen – z.B. aus den Leitlinien-Diskussionen – sowie Selbstorganisationen einbezogen werden."
Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGFS) argumentiert ähnlich:
"Die Beschlüsse des Deutschen Ärztetags sind politisch motiviert und basieren nicht auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie stehen im Widerspruch zum aktuellen Entwurf der S2k-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Diese Beschlüsse des Ärztetags reihen sich ein in einen politischen Kampf für die Rücknahme von Rechten, die bereits von geschlechtlichen und sexuellen Minderheiten erkämpft wurden. Diesen Kampf, der häufig die Rechte von Transmenschen angreift, lehnen wir vehement ab.
Stellungnahme der DGFS, Quelle: https://www.dgfs.info/stellungnahme-zu-den-beschluessen-des-128-deutschen-aerztetags.html
Wir fordern den Deutschen Ärztetag auf, die Expertise der medizinischen Fachgesellschaften anzuerkennen und die Entwicklung der S2k-Leitlinie abzuwarten, anstatt voreilige und irreführende Beschlüsse zu fassen, die das Wohl von trans Jugendlichen gefährden."
Deutlich wird, dass die Behauptung, dass die wissenschaftlichen Disziplinen einheitlich eine Binarität biologischen Geschlechts beahupten würden, so schlicht falsch ist. Der Deutsche Ärztetag sollte sich verhalten - und sich wissenschaftlich fundiert neu befassen.