Springe zum Inhalt

Der von Magnus-Hirschfeld Stiftung gemeinsam mit dem Bundesverband Trans* veranstaltete Vortrag „Nur zwei Geschlechter? Zur Dekonstruktion des Geschlechts in der Biologie“ ist nun online.

Der von Magnus-Hirschfeld Stiftung gemeinsam mit dem Bundesverband Trans* veranstaltete Vortrag „Nur zwei Geschlechter? Zur Dekonstruktion des Geschlechts in der Biologie“ ist nun online. Heinz-Jürgen Voß, Professor*in für Sexualwissenschaft und Sexuelle Bildung an der Hochschule Merseburg, referiert dort insbesondere aus evolutionsbiologischer und entwicklungsbiologischer Perspektive zu Geschlecht und geschlechtlicher Fortpflanzung.

Der auf Geschlechtsentwicklung fokussierte Schwerpunktvortrag "Die vielen Geschlechter der Biologie – zur Debatte an der Humboldt-Universität zu Berlin" ist hier zugänglich, eine Literaturliste zum Thema findet sich hier.

Jetzt, wo gesellschaftlich die Vormacht der Disziplinen Medizin und Biologie zaghaft hinterfragt wird und Menschen selbstbestimmt und eigenwillig ihr eigenes Geschlecht leben wollen und dabei die Mittel nutzen, die die aktuelle bürgerliche, kapitalistische Gesellschaft anbietet, stört Türcke diese „Eigenwilligkeit“ der Menschen.

Durch den Titel „Natur und Gender“ bin ich auf Christoph Türckes Buch gestoßen. Immerhin bei C.H. Beck erschienen, habe ich es mir bestellt und gelesen.

Türcke sieht die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen skeptisch: Mit Betrachtungen zu Antike und Aufklärung leitet er her, dass es damals um ein Verstehen „der Natur“ gegangen sei. Heute wolle man sie hingegen verändern. Besonders kritisch sieht er die Entwicklungen im Hinblick auf Geschlecht. Er argumentiert für mehr Mut zur „Eigenwilligkeit“ von Natur und mehr Demut vor ihr. So weit, so anregend für Diskussionen.

Allerdings bleiben die Gedanken oft zu kurz. So war die von Türcke als „gut“ betrachtete Aufklärung um 1800 nicht einfach beschreibend, sondern ein Ausgangspunkt oder Katalysator für weitreichende Naturbeherrschung. Bleiben wir beim Themenfeld Geschlecht: In den sich herausbildenden modernen biologischen und medizinischen Disziplinen wurde Geschlecht eben nicht einfach beschrieben, sondern wurden Frauen brachial herabgewürdigt. „Monströsitäten“, wie man damals sagte, sollten – durch medizinische und biologische Interventionen, also Naturbeherrschung, beseitigt und getilgt werden. Türcke spricht heute in Bezug auf Intergeschlechtlichkeit und Trans* von „Abweichungen“ und „Störungen“ – genau im Sinne eines solchen alten Denkens, das sortieren und aussortieren wollte. Jetzt, wo gesellschaftlich die Vormacht der Disziplinen Medizin und Biologie zaghaft hinterfragt wird und Menschen selbstbestimmt und eigenwillig ihr eigenes Geschlecht leben wollen und dabei die Mittel nutzen, die die aktuelle bürgerliche, kapitalistische Gesellschaft anbietet, stört Türcke diese „Eigenwilligkeit“ der Menschen. Der „Machbarkeitswahn“, den Türcke zu favorisieren scheint, ist einer, der Menschen unbedingt in das dominante zweigeschlechtliche gesellschaftliche Raster zwingen will – mit Therapien und Eingriffen. Und da möchte ich erwidern: Lass die Menschen doch eigenwillig leben und nicht die Struktur zentral bleiben!