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Wie die Magdeburger Volksstimme gegen LSBTI* hetzt

Alois Kösters: So greift er gerade – und darauf zielt sein Beitrag – eine der engagiertesten der Einrichtungen an, die sich für lesbische, schwule, bi, trans* und inter* Personen unterschiedlichen Alters einsetzen.

„Qualität spielt keine Rolle“ (Ausgabe vom 13.2.2020, S. 4), behauptet Alois Kösters in der Magdeburger Volksstimme vom 13.2.2020. Bereits im Jahr 2016 hatte er in dem Blatt, dessen Chefredakteur er ist, einen Angriff gegen Gender forciert, mit ähnlich wenig Belegen wie heute. In seinem aktuellen Beitrag postuliert er ein „Füllhorn“, das allen voran aus Brüssel gefüllt werde, um Gender-Reflexion in der Gesellschaft voranzubringen. „Zahlreiche Forschungsprojekte laufen an den Universitäten. Überall werden Seminare angeboten“ – meint Kösters, obwohl die groß angelegte Studie „Sexuelle Bildung für das Lehramt“, für die mehr als 2.700 Lehrkräfte und Lehramtsstudierende insbesondere aus Sachsen-Anhalt und Sachsen befragt wurden, gerade erst festgestellt hat, dass nur etwa zehn Prozent der Lehrkräfte einige Lehrinhalte zu Sexueller Bildung (Sexualpädagogik) hatten und nur fünf Prozent von Inhalten zur Prävention sexualisierter Gewalt profitieren konnten. In der Sozialen Arbeit sieht es nicht anders aus. Das bedeutet: Aktuell leisten wir uns in der Bundesrepublik Deutschland, dass Fachkräfte nicht oder zu schlecht ausgebildet sind, um sexualisierter Gewalt vorzubeugen und die geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Das sollte ein Skandal sein! Aber der Volksstimme-Chefredakteur macht lieber Stimmung gegen die EU und schürt Feindschaft gegen kleine Projekte, bei denen viele Leute ehrenamtlich arbeiten und nur wenige in geringem Umfang über meist befristete Stellen finanziert sind. So greift er gerade – und darauf zielt sein Beitrag – eine der engagiertesten der Einrichtungen an, die sich für lesbische, schwule, bi, trans* und inter* Personen unterschiedlichen Alters einsetzen. Kösters schreibt, nachdem er sich über vermeintlich überbordende EU-Förderung verbreitet hat: „Wer zum Beispiel einige geförderte Veröffentlichungen des ‚Kompetenzzentrums geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe KgKJH‘ prüft, stellt fest, dass Qualität oft keine Rolle mehr spielt.“

Warum diese Attacke, die ohne Beleg oder irgendeine Form der Fundierung auskommt? Der Volksstimme-Mann hätte sich schließlich auch die Mühe machen können, die eine oder andere Publikation des Kompetenzzentrums zu rezensieren, dessen Leiterin im Themenfeld immerhin promoviert ist und an Hochschulen lehrt. Und das Kompetenzzentrum, die Leiterin und die weitern Angestellten machen wichtige Arbeit: Noch immer ist es so, dass zwei Drittel der jungen Lesben und Schwulen (unter 18 Jahren) von physischer und psychischer Gewalt berichten, die sie erlebt haben. Etwa die Hälfte von ihnen nutzen problematische Strategien – etwa überhöhten Substanzkonsum –, um mit diesen Erfahrungen fertig zu werden. Etwa 20 Prozent der lesbischen und schwulen Jugendlichen und etwa 40 Prozent der trans* und inter* Jugendlichen geben an, im Alter von 18 Jahren mindestens einen Suizidversuch unternommen zu haben. Das Kompetenzzentrums geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe KgKJH leistet durch seine Bildungsarbeit hier wichtige Arbeit, die bedeutsam ist, damit Jugendlichen das Leben lebenswert erscheint. Und sei es nur, dass der richtige Flyer bei genau der richtigen Person liegen bleibt.

Alois Kösters mimt „alte Schule“ – allerdings ohne die Höflichkeiten, die seinerzeit üblich waren. Selbstverständlich sollte es sein, eine bewusst geführte Attacke zu fundieren, Belege zu bringen, sich auseinanderzusetzen. Das scheint der Magdeburger Volksstimme offenbar unnötig. Hier spottet man ohne Kenntnis und Beleg über andere – die nicht die medialen Mittel haben. Damit kommt die hässlichste Seite Sachsen-Anhalts zum Vorschein – der zum Glück eine andere gegenüber steht: unter anderem die exzellenten Medienkoffer „Geschlechtervielfalt und Vielfalt der Familienformen“, ein Projekt, das vom CDU-geführten Ministerium für Justiz und Gleichstellung vorangetrieben und vom KgKJH verantwortet wird. Auch hier hat das KgKJH, wie bei anderen Projekten, einen wissenschaftlichen Projektbeirat hinzugezogen, auch um Attacken begegnen zu können, die bei einem Anteil von 25 Prozent für die rechtsextreme AfD im Landtag leider nicht ausbleiben. Etwas Gutes hat es: So ist das Kompetenzzentrums geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe gegen allzu plumpe populistische Kritik abgesichert.

Heinz-Jürgen Voß

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