HIV/Aids in den 1980er und 90er Jahren: Hier entstanden Verletzungen – aus denen sich für den Umgang mit aktuellen Verletzungen durch die Corona-Pandemie lernen lässt. Veranstaltung in Merseburg analog und digital.
Im Rahmen der Reihe "Das gute Leben - nach der Pandemie" steht die dritte Veranstaltung an, zu der wir euch und Sie sehr herzlich einladen wollen. Das Thema der Veranstaltung hat vor dem Hintergrund der Diskussionen um "Affenpocken" noch eine weitere Aktualisierung gefunden, auf die wir in der Diskussion und im Ausblick auch eingehen wollen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen!
„Queere Gespenster“ – Erinnerungen an gefahrvolle und schamhafte Momente und Ableitungen für das (gute) Leben nach der Pandemie
„Gespenster“ sind Menschen und Ereignisse der Vergangenheit, die trotz ihrer aktuellen Nicht-Existenz, die Gegenwart und Zukunft prägen. In Bezug auf schwule und queere Communities ist ein solches „Gespenst“ HIV/Aids in den 1980er und 90er Jahren. Hier entstanden Verletzungen – aus denen sich für den Umgang mit aktuellen Verletzungen durch die Corona-Pandemie lernen lässt. Gemeinsam mit Prof. Dr. Zülfukar Çetin, Dr. Yener Bayramoğlu, Dieter Telge aka Edith Anstand (angefragt) und Dr. Karsten Schubert blicken wir auf die Erfahrungen spezifisch mehrheitsdeutscher und türkisch-migrantischer schwuler und queere Communities und diskutieren allgemeine Ableitungen.
Das Thema der Veranstaltung hat vor dem Hintergrund der Diskussionen um "Affenpocken" noch eine weitere Aktualisierung gefunden, auf die wir in der Diskussion und im Ausblick auch eingehen wollen. Es moderiert Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß von der Hochschule Merseburg.
Die Reihe „Das gute Leben – nach der Pandemie“ findet in Kooperation von Hochschule Merseburg (Lehrstuhl: Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß), Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt und Offenem Kanal Merseburg-Querfurt e.V. statt.
Im November 2021 finden drei Fachtage zu Trans*, Inter* und Non-Binarität in (a) pädagogischen Berufen, (b) Gesundheitsberufen, (c) in Verwaltung und Polizei statt. Interessierte sind herzlich eingeladen.
gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist es der Hochschule Merseburg möglich, im November 2021 drei hochkarätig besetzte Fachtage zu Trans*, Inter* und Non-Binarität in verschiedenen beruflichen Feldern auszurichten. Die Fachtage richten sich an Fachkräfte, Entscheidungsträger*innen, Studierende/Auszubildende und weitere Interessierte. Sie zielen einerseits auf den fachlichen Austausch, andererseits auf die Weiterentwicklung der jeweiligen Curricula der Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Information und Anmeldung zu den Fachtagen:
(1) Fachtag Geschlechtergerechte Pädagogik in universitären und schulischen Kontexten Datum: 8.11.2021, findet online statt Informationen: https://www.hs-merseburg.de/tinpaedagogik/
(2) Fachtag Geschlechtersensible und leitliniengerechte medizinische Versorgung und Pflege von trans-, intergeschlechtlichen und non-binären Personen Datum: 22.11.2021, findet online statt Informationen: https://www.hs-merseburg.de/tingesundheit/
(3) Fachtag Geschlechtergerechte Begleitung von trans-, intergeschlechtlichen und non-binären Personen durch Verwaltung und Polizei Datum: 30.11.2021, findet online statt Informationen: https://www.hs-merseburg.de/tinverwaltung-polizei/
Interessierte insbesondere aus den Berufsgruppen, aber auch darüber hinaus, sind herzlich eingeladen! Für Fragen ist das Vorbereitungsteam gern erreichbar, unter Mail: heinz-juergen.voss@hs-merseburg.de .
Kürzlich wurde an der Hochschule Merseburg die PARTNER 5 Jugendstudie vorgestellt. Sie weist eine hohe Betroffenheit insbesondere diversgeschlechtlicher und weiblicher Personen von Belästigungen und Vergewaltigungen nach. Aber auch die Zahlen für Jungen und junge Männer sind alarmierend. Deutlich wird, dass ein Ausbau der Beratungs- und Unterstützungsstrukturen dringend erforderlich ist.
Die Studie
Die PARTNER 5 Jugendstudie wurde Anfang 2020 als Paper-Pencil-Befragung an Bildungseinrichtungen Sachsen-Anhalts begonnen und aufgrund der Corona-Pandemie als onlinebasierte Studie fortgeführt. Teilgenommen haben bundesweit 1.443 Personen. Die gültige Stichprobe umfasst die Antworten von 861 Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren, darunter 522 Mädchen/Frauen, 297 Jungen/Männer sowie 42 Personen mit diverser Geschlechtsidentität. Die „gültige“ Stichprobe ist geringer, weil nur die Angaben derjenigen Teilnehmenden eingegangen ist, die zwischen 16 und 18 Jahren waren und das Feld „Geschlecht“ ausgefüllt hatten. Insgesamt ergeben sich belastbare, also aussagekräftige Zahlen.
Es gibt eine Schwesternstudie – die PARTNER 5 Erwachsenenstudie, an der Personen zwischen 18 und 84 Jahre teilgenommen haben. Bei ihr konnten die Daten von 3.466 Personen ausgewertet werden, darunter 1.892 Frauen, 1.433 Männer und 141 Personen mit diverser Geschlechtsidentität.
Der Name PARTNER 5 verweist darauf, dass es sich um eine wiederkehrende Studie handelt – die erste fand im Jahr 1972 in der DDR statt –, sodass auch historische Vergleiche möglich sind. Es ist eine komplexe sexualwissenschaftliche Untersuchung, bei der sowohl positive Aspekte von Sexualität – Selbstbefriedigung, Nutzung von Sexspielzeug, gleich- und andersgeschlechtlicher Sex – als auch negative Aspekte wie Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt eine Rolle spielen. Da die Untersuchung vom Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt finanziert wurde, stand bei der ersten Auswertung das Thema Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt im Mittelpunkt.
Ergebnisse: Belästigung
Nahezu alle weiblichen und diversgeschlechtlichen Befragten haben Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht, angefangen bei verbalen Belästigungen – Catcalling –, bis hin zu Berührungen und Stalking. Bei den Jungen und Männern haben zumindest 52 % (Jugendliche) bzw. 54 % (Erwachsene) vergleichbare Erfahrungen. Die folgende Abbildung zeigt ausgewählte Befunde für Jugendliche und Erwachsene weiblicher und diverser Geschlechtsidentität:
Die Ergebnisse zu Belästigung zeigen an, wie verbreitet noch immer Belästigungen sind. Die Sensibilität für sie ist durch Kampagnen wie #metoo und #aufschrei gewachsen, gleichwohl bleibt viel zu tun.
Ergebnisse: Vergewaltigungsversuch
Die Angaben zu erlebten Vergewaltigungsversuchen und Vergewaltigungen sind alarmierend. In der PARTNER 5 Studie wurde konkret gefragt: „Haben Sie das Folgende erlebt? Jemand versuchte, mich zum Geschlechtsverkehr oder anderen sexuellen Handlungen zu zwingen.“ Diese Formulierung deckt den Straftatbestand der Vergewaltigung ab, ist aber so gewählt, dass Personen tatsächlich ihre Erfahrungen angeben und sich nicht durch den „groß“ wirkenden Begriff „Vergewaltigung“ abgeschreckt fühlen. Hier sind die Angaben wie folgt:
Die Ergebnisse bestätigen schon für Jugendliche die wissenschaftlich bekannten Zahlen. Es gibt hohe Betroffenheiten von Vergewaltigung. Die Zahlen für diversgeschlechtliche Personen zeigen eine Belastung an, die noch höher als bei Mädchen und Frauen liegt. Aber auch die „geringen“ Zahlen für Jungen und Männer weisen auf Belastungen hin, die einer professionellen Beratung und Unterstützung bedürfen, die es vielerorts noch nicht gibt.
Ableitungen
Die Ergebnisse für diversgeschlechtliche Personen zeigen einen hohen Bedarf an Beratungs- und Unterstützungsangeboten an. Bislang gibt es hier kaum Beratungsstellen, die adäquat aufgestellt sind, um Unterstützung zu leisten. So können diversgeschlechtliche Personen auch in Fachberatungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt Diskriminierungen erfahren. Hier zeigt sich ein Bedarf an Fortbildungen! Aber insgesamt ist die Beratungs- und Unterstützungslandschaft im Themenfeld sexualisierte Gewalt noch gering: Unbedingt erforderlich wäre, dass in jedem Landkreis der Bundesrepublik eine Fachberatungsstelle vorhanden ist! Und sie muss auch sensibel für die Belange von diversgeschlechtlichen Personen und LSBTTIQ* sein. Diese wohnortnahe Fachberatungsstelle ist daher nötig, da Kinder und Jugendliche sich oft nur in einem begrenzten Radius bewegen können und Traumatisierte ihre eigene Umgebung benötigen, in der sie sich sicher fühlen. Sie können jeweils nicht erst zig Kilometer reisen, um Beratung in Anspruch zu nehmen und Unterstützung zu finden.
Die Sendung "Gender: Weg vom Schwarz-Weiß-Denken" ist jetzt auch in der Mediathek verfügbar. Sie beleuchtet Gender Studies und konkrete Auswirkungen zweigeschlechtlichen Sexismus'.
Die Sendung von "Planet Wissen" (von WDR, SWR und ARDalpha) "Gender: Weg vom Schwarz-Weiß-Denken" ist jetzt auch in der Mediathek verfügbar. Die Sendung ist sicherlich für einige Themen sehr erhellend. Das gilt sowohl im Hinblick auf Gender Studies, konkrete Auswirkungen zweigeschlechtlichen Sexismus', aber auch hinsichtlich zugespitzter gesellschaftlicher Debatten im Themenfeld. Sehr gut durch die Sendung führten die Moderator*innen Caro Matzko und Rainer Maria Jilg.
Der Ankündigungstext des Senders: Gender bezeichnet das soziale Geschlecht: Was wird in einer Gesellschaft als „männlich“, was als „weiblich“ gesehen und welche Eigenschaften gelten als typisch für Männer oder als typisch für Frauen? Das soziale Geschlecht ist noch viel mehr als das biologische Geschlecht sehr vielfältig und lässt sich wissenschaftlich nicht in nur zwei Kategorien einteilen. Beim Thema Gender, also beim sozialen Geschlecht, machen die „Schubladen“ hier Mann, da Frau nur wenig bzw. gar keinen Sinn. Und trotzdem wird unser Alltag von dieser Zweiteilung sehr stark bestimmt. Planet Wissen fragt deshalb, warum es so schwerfällt, nicht nur von der Zweiteilung „Mann / Frau“ wegzukommen, sondern auch die tatsächlich vorhandene Vielfalt zu akzeptieren. Gäste im Studio: Prof. Dr. Paula-Irene Villa Braslavsky, Ludwig-Maximilians-Universität München; Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß, Hochschule Merseburg.
Der Studiengang Sexologie – Sexuelle Gesundheit und Sexualberatung ist körperorientiert angelegt, setzt Berufserfahrung voraus und zielt insbesondere auf therapeutische Berufsgruppen und Felder der Erwachsenenpädagogik.
Mit 23 Studierenden startet zum Sommersemester der nächste
Durchgang des Studiengangs „Sexologie – Sexuelle Gesundheit und Sexualberatung“,
der in Kooperation zwischen der Hochschule Merseburg (Deutschland,
Sachsen-Anhalt) und dem Institut für Sexualpädagogik und Sexualtherapie Uster
(Schweiz) durchgeführt wird. Der aktuellen Situation mit Covid-19 angemessen, startet
der Kurs mit theoretischen Inhalten digital als Webinar, bevor es später auch
zu den körperorientierten Inhalten kommt.
Der kostenpflichtige Studiengang erfreut sich zunehmender Beliebtheit und ergänzt seit dem Jahr 2014 das innovative und breit aufgestellte Angebot der Hochschule Merseburg: Neben Studiengängen im Bereich Ingenieur- und Naturwissenschaften und in den Wirtschafts- und Informationswissenschaften ist es an der Hochschule möglich, Studiengänge im Fachbereich Soziale Arbeit. Medien. Kultur zu belegen. Bereits seit 2009 gibt es an der Hochschule auch den konsekutiven, kostenfreien Studiengang Angewandte Sexualwissenschaft. Merseburg ist damit ein zentrales sexualwissenschaftliches Zentrum der Bundesrepublik.
Der Studiengang Sexologie – Sexuelle Gesundheit und
Sexualberatung ist körperorientiert angelegt, setzt Berufserfahrung voraus
und zielt insbesondere auf therapeutische Berufsgruppen und Felder der
Erwachsenenpädagogik. Er baut damit auf der Definition sexueller Gesundheit
der Weltgesundheitsorganisation auf: „Gesundheit ist ein Zustand vollständigen
körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen
von Krankheit oder Gebrechen.“
Es wird der Körper einbezogen, da eine gute
Körperwahrnehmung eine wichtige Grundbedingung für das sexuelle Wohlbefinden
ist. Entsprechend stehen neben den grundlegenden sexualwissenschaftlichen
und -pädagogischen Lehrinhalten sowie Themen der Selbstreflexion auch Atem- und
Bewegungsübungen auf dem Lehrplan.
Sehr gern weise ich auf den eben erschienenen Band "Intersektionalität: Von der Antidiskriminierung zur befreiten Gesellschaft?" hin, den Christopher Sweetapple, Salih Alexander Wolter und ich gerade im Schmetterling-Verlag (Reihe: black books) veröffentlicht haben. Ganz praktisch - und in Verbindung mit dem Themenfeld Gewalt / sexualisierte Gewalt - wird darin das Konzept und die Praxis der Intersektionalität vorgestellt.
Wer eine Rezension schreiben will, kann ein Rezensionsexemplar gern
beim Verlag oder auch direkt bei mir ( voss@heinzjuergenvoss.de
) anfordern.
Intersektionalität: Von der Antidiskriminierung zur befreiten
Gesellschaft? von: Christopher Sweetapple / Heinz-Jürgen Voß / Salih Alexander Wolter
Stuttgart: Schmetterling-Verlag
1. Auflage 2020, 12 Euro
ISBN 3-89657-167-2
Informationen beim Verlag: http://www.schmetterling-verlag.de/page-5_isbn-3-89657-167-2.htm
Klappentext:
Intersektionalität wurde in der Bundesrepublik bereits seit den frühen
1990er-Jahren von Linken eingefordert, die als Jüdinnen, People of Color
und/oder Menschen mit Behinderung ihre Situation als Mehrfachdiskriminierte im
Ein-Punkt-Aktivismus etwa der Frauen- und Homobewegung nicht berücksichtigt
sahen. Der deutschsprachige akademische Betrieb griff solche Kritik erst mit
zehnjähriger Verspätung auf und behandelt sie zumeist als reinen Theorie-Import
aus den USA. Heute erfährt der vor allem im queerfeministischen Spektrum of
Color verbreitete intersektionale Ansatz, der den gängigen Rassismus
thematisiert, zum Teil heftigen Widerspruch nicht nur – erwartbar – von rechts,
sondern auch von links. Der Vorwurf lautet, hier werde «Identitätspolitik»
zulasten eines Engagements für eine grundlegend andere, bessere Gesellschaft
betrieben.
Vor diesem Hintergrund zeichnen die Autoren zunächst den Denkweg der
Schwarzen US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw nach, die dem
«provisorischen Konzept» Intersektionalität Ende der 1980er-Jahre nicht nur den
Namen gab, sondern es in Antonio Gramscis Reflexionen zu einem westlichen
Marxismus fundierte und zugleich «postmoderne» Ideen dafür politisch nutzbar
machte. Daneben wird ein Überblick über das aktuelle Weiterdenken des Konzepts
aus einer internationalen soziografischen Perspektive gegeben. Im zweiten Teil
des Buches werden, mit zahlreichen Interview-Auszügen belegt, die Ergebnisse
einer über mehrere Jahre hin bundesweit durchgeführten wissenschaftlichen
Studie zu sexualisierter Gewalt gegen Jugendliche dargestellt. Hier zeigen sich
überdeutlich die Notwendigkeit eines intersektionalen Ansatzes zur Prävention
und der Stärkung migrantischer Selbstorganisation. In einem kurzen politischen
Schlusskapitel wird das Fazit aus Theorie und Empirie gezogen: Bei der
Intersektionalität geht es nicht um die Pflege von kulturellen Eigenheiten,
sondern um eine gesamtgesellschaftlich ausgelegte «Untersuchung der
Unterdrückung», die für linke Politik unter den heutigen Verhältnissen äußerst
produktiv sein kann.