Springe zum Inhalt

Biologische Geschlechtsentwicklung ist komplex. Es spielen zahlreichen Faktoren eine Rolle, die in einem Netzwerk zusammenwirken.

Da mich aktuell zahlreiche Anfragen zum aktuellen Sachstand zu biologischem Geschlecht erreichen, möchte ich hier kurz einige Möglichkeiten zur Information anbieten.

Zunächst:

Es ist erfreulich, dass die aktuelle Debatte um einen Vortrag an der HU Berlin zu einer breiten Diskussion um biologisches Geschlecht anregt. Die HU hätte sich dabei ein Beispiel an der FU Berlin nehmen können, die der thematischen Fachdiskussion in der Biologie schon vor Jahren eine interdisziplinäre Tagung und einen Sammelband gewidmet hat. Diese Entwicklung holt die HU nun nach.

Ein paar Antworten aus der Biologie:

Ja, biologische Geschlechtsentwicklung ist komplex. Es spielen zahlreichen Faktoren eine Rolle, die in einem Netzwerk zusammenwirken. Die Wissenssendung „Quarks“ hat den aktuellen Sachstand in der Sendung "Junge oder Mädchen? Warum es mehr als zwei Geschlechter gibt" gut und einfach auf den Punkt gebracht. Für die Fragen zur biologischen Geschlechtsentwicklung empfehle ich die Sequenz ab Minute 5‘19‘‘ bis etwa zur Minute 11’30.

Dort wird korrekt ausgedrückt:

  • Jeder Embryo hat zunächst das Potenzial sich in jegliche geschlechtliche Richtung zu entwickeln. Es handelt sich um einen gemeinsamen (indifferenten) Ausganspunkt des Genitaltrakts. Aus ihm können unterschiedliche Ausbildungsformen des äußeren und inneren Genitals resultieren.
  • Auf allen Ebenen der Entwicklung des Genitaltraktes zeigt sich ein komplexes Wechselspiel von Faktoren. Allein auf genetischer Ebene werden mittlerweile 1.000 Gene als möglicherweise bedeutsam für die Ausbildung des Genitals beschrieben. Von ihnen sind 80 untersucht – durchaus mit widersprüchlichen Befunden. Das bedeutet: Die Disziplin Biologie weiß gar nicht so genau, wie die Geschlechtsentwicklung verläuft. Sie hat mehr oder weniger überzeugende Theorien. Und es ist wichtig, dass Biologie Geschlecht möglichst neutral erforscht - und nicht stetig die gesellschaftliche Annahme stereotyper Zweigeschlechtlichkeit an den Untersuchungsgegenstand heranträgt.
  • In dem kurzen Video wird auch deutlich, dass die Annahme, dass Hoden einfach Androgene (als vermännlichend betrachte Geschlechtshormone, zum Beispiel Testosteron) bilden würden und Eierstöcke Östrogene (als verweiblichend betrachtete Geschlechtshormone), so einfach schlicht falsch ist. Selbstverständlich bilden sowohl Eierstöcke als auch Hoden sowohl Androgene als auch Östrogene. Das ist schon allein deshalb der Fall, weil diese Hormone vielfältige Wirkungen im Organismus entfalten. Östrogene sind für die Ausbildung von Knochen, dem Herzen, der Nieren erforderlich. Sind sie nicht vorhanden, geht der Embryo zugrunde oder das geborene Kind stirbt. Androgene etwa Testosteron sind für die Ausbildung des Blutsgefäßsystems und der Muskulatur bedeutsam – und für die Einleitung der Pubertät. Und das nicht nur bei „den Jungen“, sondern auch bei „den Mädchen“.

Der gemeinsame Ausgangspunkt von Geschlecht wird bereits hier deutlich. Als Ergebnis des Entwicklungsweges stehen vielfältige Ausprägungsmöglichkeiten des inneren und äußeren Genitals. Das wird als Vielfalt bezeichnet oder auch als geschlechtliche Vielfalt. Geschlechtliche Vielfalt existiert eben auch, wenn wir konsequent auf einer „biologischen Ebene“ – also bei physischen und physiologischen Merkmalen – bleiben.

Zu dem Thema gibt es mittlerweile umfassende wissenschaftliche Literatur. Bitte lesen Sie sich und lest euch etwas ein, auch wenn ihr nicht aus der Disziplin Biologie seid. Auch Biologie ist verständlich und nachvollziehbar, wenn man sich etwas darauf einlässt. (Zu soziologischen Studien würden sich auch viele Personen äußern – also sehr gern auch Biologie verstehen und einbringen.)

Unbedingt lesen – gut verständliche Basis:

  • Evelyn Fox Keller, „Das Jahrhundert des Gens“: Wer biologisch nicht so versiert ist, erhält hier einen verständlichen Crashkurs zu Transkription, Translation, posttranskriptionalen und posttranslationalen Modifikationen.

Zeitlos zu Hormonforschung und für einen Überblick über biologische Geschlechtertheorien:

  • Anne Fausto-Sterling, „Gefangene des Geschlechts? Was biologische Theorien über Mann und Frau sagen“
  • Anne Fausto-Sterling, “Sexing the Body – Gender Politics and the Construction of Sexuality”
  • Smilla Ebeling & Sigrid Schmitz (Hg.), „Geschlechterforschung und Naturwissenschaften – Einführung in ein komplexes Wechselspiel“

Fokussiert auf biologische Geschlechtsentwicklung:

Wer sich danach noch mehr einlesen möchte - ein paar weitere Literaturtipps finden sich hier.

1

So lassen sich nach einem ersten Überblick über gute Materialien (2013) mittlerweile einige weitere Materialien für den Schulunterricht anführen, die explizit auf geschlechtliche (und auch sexuelle) Vielfalt orientieren.

Erfreulicherweise passiert mittlerweile nicht nur in der Wissenschaft einiges in Bezug auf geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. Auch der Schulunterricht nimmt den wissenschaftlichen Sachstand auf. So lassen sich nach einem ersten Überblick über gute Materialien (2013) mittlerweile einige weitere Materialien für den Schulunterricht anführen, die explizit auf geschlechtliche (und auch sexuelle) Vielfalt orientieren. Die folgenden sollen - gerade im Hinblick auf den Biologie-Unterricht - empfohlen werden:

(1) Sexualerziehung mit Generation Z: Zeitgemäßer Biologieunterricht nach den aktuellen Richtlinien in den Klassen 5-10 (von Ursula Rosen, erschienen im Auer-Verlag):

Das Material entspricht den Lehrplänen zur Sexualerziehung und trägt dabei auch Fragen geschlechtlicher (und sexueller) Vielfalt Rechnung. Das bedeutet, dass auch Intergeschlechtlichkeit nicht etwa als "Fehler" oder "Störung" angeführt wird, sondern als Ausprägungsform menschlicher Geschlechtlichkeit, wie es zuletzt das Bundesverfassungericht in seiner Entscheidung für den Geschlechtseintrag "divers" angeführt hatte. Es handelt sich um gutes und zeitgemäßes Material. Mehr Informationen (Verlagslink).

(2) Vielfalt in Sexualität und Geschlecht: Themenhefte Sekundarstufe Biologie (von Alexander Lotz, erschienen bei Cornelsen):

Wie das vorhergehende Material wartet auch dieses Unterrichtsmaterial mit guten Methoden auf. Fragestellungen insbesondere zu sexueller Vielfalt, aber auch zu geschlechtlicher Vielfalt werden anschaulich aufgeschlüsselt - allgemeine Inhalte zu Sexualerziehung sind hier hingegen nicht Inhalt. Lehrkräfte erhalten damit gut nutzbar das Hintergrundwissen, die zugehörigen Methoden und das Material, um mit ihren Klassen die Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Biologie-Unterricht bearbeiten zu können. Mehr Informationen (Verlagslink).

(3) Diversität im Klassenzimmer: Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Schule und Unterricht (von Birgit Palzkill et al., erschienen bei Cornelsen):

Dieses Material ist allgemeiner angelegt und fokussiert nicht ausschließlich auf den Biologie-Unterricht. Es werden insbesondere die Hintergründe sexueller und geschlechtlicher Vielfalt aufgezeigt, wobei mitunter eine Überhöhung einer vermeintlich fortschrittlichen Situation in Deutschland mitschwingt und nicht ausreichend auf die Problemlagen von queeren Jugendlichen in Deutschland gesehen wird. Dennoch bringt auch diese Material einige gut aufbearbeitete Hintergünde für Lehrkräfte mit. Mehr Informationen (Verlagslink).

(4) VIDEO Junge oder Mädchen? Warum es mehr als zwei Geschlechter gibt (WDR, Sendung Quarks):

Auf jeden Fall ist für die Diskussion im Biologie-Unterricht in Bezug auf die Bestandteile und die Ausbildung des Genitaltrakts das Video "Junge oder Mädchen?" sehr zu empfehlen. Die Sequenz ab Minute 5'19'' bis ca. Minute 11 macht die biologischen Grundlagen gut nachvollziehbar und regt Kinder und Jugendliche - ebenfalls Klassenstufe 5 bis 10 - zur Diskussion an. Wie fest ist Geschlecht chromosomal, genetisch oder auch hormonell festgelegt - wie offen sit die Entwicklung? Mehr Informationen (Mediathek des WDR).

Gern weise ich auf die Sendung "Junge oder Mädchen? Warum es mehr als zwei Geschlechter gibt" der WDR-Reihe "Quarks & Co" hin. Dort werden u.a. einige aktuelle Erkenntnisse der Biologie zur Geschlechtsentwicklung und insbesondere die soziale Bedeutung von Geschlechterbetrachtungen vorgestellt. Aus dem Ankündigungstext:

Wir lassen uns einfach in "männlich" und "weiblich" einteilen? Das denken wir – stimmt aber nicht! Was unser Geschlecht ausmacht, ist vielfältig: Hormone, Chromosomen, Anatomie, Geschlechtsorgane oder unser Gehirn. Dabei gibt es Variationen – so häufig, dass immer mehr Forscher das Geschlecht als Kontinuum betrachten, auf dem "weiblich" und "männlich" nur die Endpole sind. Aber was bedeutet das für uns? Autor/-in: Jakob Kneser, Dirk Gilson, Anke Rau, Angela Sommer, Georg Wieghaus, Pina Dietsche

Der Link zur Sendung findet sich hier. Sie kann auch als mp4-Format direkt für die Lehre heruntergeladen werden.

Gern möchte ich auf die Sendung "Sexualität - wir alle sind Zwitter" von Susanne Billig und Petra Geist bei WDR5, Sendung "Leonardo - Wissenschaft und mehr" hinweisen. Die Autor_innen diskutieren die Vielfältigkeit der Geschlechtsentwicklung, haben aber auch die aktuelle medizinische Gewalt gegen intergeschlechtliche (intersexuelle) Menschen mit im Blick.

Ebenfalls zu Thema:

Angeboren oder entwickelt? Zur Biologie der Geschlechtsentwicklung

Die individuelle und vielfältige Physiologie und Wirkung der „Geschlechtshormone“

und Audio:

Zur gesellschaftlichen Konstruktion von biologischem Geschlecht - Heinz-Jürgen Voß from Schwulenreferat Gießen on Vimeo.

Das Buch "Geschlecht: Wider die Natürlichkeit" (ISBN 3-89657-663-1, 180 Seiten, 10 EUR) ist soeben in der feinen Reihe theorie.org des Schmetterling Verlags erschienen. Ich möchte Sie/Euch herzlich zur Lektüre und Diskussion einladen!

Geschlecht: Wider die Natuerlichkeit

In dem Buch wird klar und deutlich herausgestellt, dass Menschen und all ihre (unsere) Wahrnehmung stets schon gesellschaftlich sind. Anknüpfend an Karl Marx und Simone de Beauvoir wird diskutiert, warum uns diese Gesellschaftlichkeit so rasch entgleitet und wir bestrebt sind, Beobachtungen und Merkmale als "natürlich" - vorgegeben und unabänderlich - zu erklären und sie damit unser Einflussnahme zu entziehen. Es wird deutlich, dass es für ein besseres Verständnis der Gesellschaftlichkeit der Menschen wichtig ist, Kapitalismuskritik und Geschlechtskritik zusammenzudenken. Da bislang selten geschehen, werden historische und aktuelle "biologische Theorien" - auch sie sind Teil der Gesellschaft! - anschaulich und verständlich in ihrer Vielschichtigkeit diskutiert.

Das Buch ist ab sofort überall im Buchhandel erhältlich! Für ein Rezensionsexemplar wendet Euch/wenden Sie sich bitte an den Verlag oder an mich (voss_heinz[ättt]yahoo.de); auch übrige Diskussionsbeiträge, Anmerkungen und Kritiken sind sehr willkommen! Weiterlesen » » » »

" Helga Satzinger legt mit Differenz und Vererbung eine brillante und innovative Schrift vor, in der aus mehreren Perspektiven die „Geschlechterordnung in der Genetik und der Hormonforschung 1890 - 1950“ in den Blick genommen wird. Im Unterschied zu „ahistorischen Formeln und dazugehörigen großen monolithischen“ Abhandlungen (S. 37) wendet sich die Autorin in dieser materialreichen und gründlichen wissenschaftshistorischen Arbeit sowohl Theorien der Genetik und Hormonforschung als auch ihren Protagonist/-innen sowie den konkreten Forschungszusammenhängen zu. Das zeitliche Fenster reicht von der Beschreibung von Erbkörperchen in Zellen Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Vorstellung der chemischen Struktur der DNA-Doppelhelix im Jahr 1953. Satzinger regt durch detaillierte Ausarbeitungen dazu an, weiterführende Fragen zur Bedeutung von Geschlecht in Forschungen zur Vererbung zu erschließen, und proklamiert gerade für die Genetik die Hoheit wissenschaftshistorischer Zugriffe: „Die Vorstellung von einem im Stoff der DNA niedergelegten Gen im Sinne einer Bauanweisung für ein Protein ist [heute] fraglich geworden und Genkonzepte generell sind zum Gegenstand der historischen Forschung avanciert.“ (S. 26) "
zur vollständigen Rezension

Hier nun ein kurzer einführender Text in das Buch "Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive". Er ist in der Zeitschrift Analyse & Kritik (Nr. 547) erschienen - und ich danke herzlich für das Einverständnis zur Online-Veröffentlichung!

Alles bio? Auch aus biologischer Sicht gibt es mehr als zwei Geschlechter

Was für "gesellschaftliches Geschlecht" (gender) verbreitete Annahme ist - nämlich, dass es gesellschaftlich hergestellt ist -, ist für "biologisches Geschlecht" (sex) hoch umstritten. So erntete Judith Butlers bereits 1990 erschienenes Buch "Gender trouble" breite Kritik. Nach Butler werden auch körperliche Merkmale erst durch eine gesellschaftliche Brille gelesen. Auch deren Beschreibungen unterlägen gesellschaftlichen Deutungen, die die Wahrnehmungen prägen würden. Das, was an körperlichen Merkmalen benannt wird, wie es benannt wird und wie es mit weiteren Deutungen belegt wird, sei bereits gesellschaftlich beschränkt und beschränke sich daran anschließende Deutungsmöglichkeiten.Weiterlesen » » » »

3

[aktualisiert: Juli 2018]

Das Buch Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive, erstmals 2010 erschienen und mittlerweile in der 3. Auflage (und nun auch als Open-Access-Buch erhältlich), wurde interdisziplinär breit zur Kenntnis genommen - in Geschlechterforschung, Medizin, Biologie-Didaktik, Geschichtswissenschaften, Erziehungswissenschaften, Soziologie etc. Dabei gibt es selbstverständlich verschiedene Ansätze, die gut in Diskussion zueinander kommen - verwiesen sei etwa auf den Aufsatz der Soziologin Daniela Heitzmann in der Fachzeitschrift Gender, in dem Heitzmann die Ansätze von Londa Schiebinger, Thomas Laqueur und Heinz-Jürgen Voß miteinander diskutiert. Neben dem breiten wissenschaftlichen Diskurs, der disziplinübergreifend in Gang gekommen ist (und bei dem mittlerweile auch in der Disziplin Biologie selbst sehr grundlegendes Nachdenken über biologische Theoriebildung zu Geschlecht stattfindet, vgl. etwa den Aufsatz von Claire Ainsworth in der Fachzeitschrift Nature), freue ich mich auch über breitere gesellschaftliche Anschlüsse, wie etwa im Band "Liebe in der Moderne: Körperlichkeit, Sexualität und Ehe" von Isolde Karle.

Nils Wilkinsons schreibt in seinem Aufsatz "Ordering Darwin: Evolution and Normativity", der im lesenswerten Sammelband "Reflecting on Darwin" (2014, hg. von Eckart Voigts, Barbara Schaff & Monika Pietrzak-Franger) erschienen ist mit Bezug auf die Theorien in "Making Sex Revisited": "The complexity of specializations within science leads to unbridgeable gaps between scientists who then resort to simplifications so as to be able to at least communicate some of the dense knowledge acquired over a long period of time. This problem appears even more striking when we consider the distortions of scientific insights in the arts and science pages of the popular press. Here, an uncritical reader with only surface knowledge of biological science may be led to think that biology actually holds the answer to the question of what human nature is (look out for sentences that start with ‹scientists now have found the key to…›), rather than showing that nature is a malleable, ongoing process of becoming. For example, if we look into Heinz-Jürgen Voß’s work on the history of not only medical theories of sex, we see that constructivist notions have long been part of such inquiries and that they are not a symptom of the two cultures of hard vs. soft science." (S.165)

Im Folgenden eine Übersicht über die Rezensionen von "Making Sex Revisited":

 

Deutschlandradio Kultur bewertete "Making Sex Revisited" in einem Interview am 18. Januar 2012 wie folgt: "[D]iese Dissertation hat ziemlich Furore gemacht, nicht nur unter Fachkollegen, weil [...] darin die traditionelle Zuweisung des Geschlechts in männlich - weiblich [abgelehnt wird]."

Der Medizinhistoriker Prof. Dr. Florian Mildenberger rezensierte "Making Sex Revisited" in Gigi - Zeitschrift für sexuelle Emanzipation (Heft 66) und schreibt u.a.: Heinz Jürgen Voß ist mit „Making Sex Revisited" ein großer Wurf gelungen. Er stellt zunächst die unterschiedlichen Annäherungen seiner Kollegen an die Geschichte von Sexualitäten vor und leitet dann, quasi nebenbei, zu den wissenschaftshistorisch sauber aufbereiteten Erkenntnissen aus Antike, Mittelalter und Früher N euzeit über. Die vielfach angedachte Synthese von Natur- und Geisteswissenschaften findet bier (beinahe) statt Zwischenbilanzen erlauben es dem erschöpften Leser, zu Atem zu kommen, denn dicht fliegen ihm die Informationen um die Ohren. [...] Voß gibt keine einfachen Antworten, er liefert komplexe Denkmodelle und verlangt vom Leser, daß er selbst weiterforscht. Die Beherrschung der Grundkonzepte der zeitgenössischen naturwissenschaftlichen Biologie und Medizin ist schlichtweg Voraussetzung für die Lektüre. Hinzu tritt die Inffragestellung all derjenigen Werke, die in den letzten Jahren in Unkenntnis dieser Tatsache entstanden sind. Heinz-Jürgen Voß kann sich sicher sein, gerade in diesem Zusammenhang besonders viele neue „Freunde" gewonnen zu haben. Ganz selbstverständlich geht er davon aus, daß das Studium von Originalquellen eine Kernkompetenz von Wissenschaftshistorikern sein muß. Dies kann als Absage an die neuen Heroen der Wissenschaftstheorie verstanden werden (zum Beispiel Galison, Latour etc.). Abschließend ist es ferner notwenig, zu betonen, daß Voß keine Tutalabkehr von den Denkmodellen seiner Zunft fordert. Er ist eben gerade nicht der großspurige Prophet, sondern offenbar ein begeisterter und begeisternder Gelehrter, der die positiven Aspekte aus den Werken seiner Ideengeber und Lehrer zusammensucht und neu verbindet. ,,Making SexRevisited" ist kein Aufruf an Bilderstürmer oder ungebildete Revolutionäre, es ist ein Appell an die Vernunft. Und die Stimme der Vernunft ist bisweilen leise, dafür aber sympathisch und für Kritik offen. Im Gegensatz zu vielen anderen Forschern auf diesem Gebiet freut sich der Autor über Anmerkungen. Wer will, kann mit ihm bloggen unter http://dasendedessex.blogsport.de/." Homepage der Zeitschrift / direkt zur Rezension (pdf-Dokument, 2,2 mb)

Der Professor für Biologie-Didaktik, Prof. Dr. Uwe Hossfeld besprach das Buch in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (58. Jg., Heft 9/2010, S.746/747); er schreibt u.a.: "[...] Nach einer Einleitung, die auf die wichtigsten Ziele, Inhalte und Methoden der Arbeit fokussiert, folgen drei Hauptkapitel: I. Das differenzierte Geschlechterverständnis der Antike – Facetten von Ein- und Zweigeschlechtlichkeit; II. Zur Konstituierung von Geschlecht in modernen biologisch-medizinischen Wissenschaften, III. Geschlechterdetermination – von „dem hodendeterminierenden Faktor“ hin zu Modellen komplex interagierender und kommunizierender molekularer Komponenten. Das erste Kapitel folgt weitgehend der Chronologie der Ereignisse und liefert eine gelungene Übersicht über die Geschlechterauffassungen der Antike, wobei dieser wissenschaftshistorische Ansatz im zweiten Kapitel bis auf die Neuzeit mit ihren modernen biologisch-medizinischen Wissenschaften übertragen wird. Der dabei herausgearbeitete Blick in die Historie zeigt bereits frühzeitig die Ambivalenz des Themas auf. Man wusste zwar seit Darwin, dass manche Eigenschaften vererbt werden, andere nicht, aber worauf dies zurückzuführen war, blieb im Dunkeln. Der wichtigste wissenschaftliche Grund für die dann aufkommenden Kontroversen über den Evolutionsmechanismus im 19. Jahrhundert war dann auch das Fehlen einer zutreffenden Theorie der Vererbung. Es war völlig ungeklärt, wodurch bei der Vererbung Ähnlichkeit und Variabilität entstehen. Warum sind Kinder ihren Eltern und Geschwister einander ähnlich, ohne ihnen aber völlig zu gleichen? Diese Fragen wurden mit den unterschiedlichsten Vererbungstheorien beantwortet, die aber nur zum Teil mit der Selektionstheorie vereinbar waren und andere Vorstellungen über den Evolutionsmechanismus implizierten. Der entscheidende Punkt in dieser Kontroverse war, ob die erbliche Variabilität überwiegend zufällig und richtungslos ist, oder ob schon eine bestimmte Richtung vorgegeben ist, beispielsweise zu größerer Anpassung oder Komplexität. Falls letzteres zutreffen würde, könnte die Selektion nur innerhalb eines begrenzten Rahmens ihre Wirkung entfalten und der richtunggebende Faktor hätte eine entsprechend größere Bedeutung. Voss zeigt im zweiten Kapitel an ausgewählten Protagonisten und Forschungsfeldern dann einige dieser Perspektiven einer Geschlechterforschung auf, wobei der Ansatz von Anne Fausto-Sterling über die „fünf Geschlechter“ wohl der heuristisch wertvollste bis dato ist/war. Das letzte Kapitel beeindruckt dann schließlich durch seine Wissenschaftlichkeit und Kompilation der Datenfülle, wobei der Autor keine Mühen gescheut hat, sich in die aktuellen Forschungen der Humangenetik und Molekularbiologie einzulesen. Chromosomen, Gene, Expression, Analyse, Sequenz sind dann so auch hier wichtige Schlagwörter. Ein ausführliches Personenregister sowie ein umfassendes Literaturverzeichnis runden das gut lesbare Buch ab. Voss‘ kompaktes Werk kann sowohl wissenschaftlichen Laien wie auch Natur- und Geisteswissenschaftlern gleichsam empfohlen werden. Es dokumentiert nicht nur die Ebene eines bedeutenden (und bisher in dieser Ausführlichkeit kaum behandelten) biologisch-medizinischen Themenfeldes, sondern zeigt nebenbei auch Ebenen der Wissens- und Sprachkultur sowie des Umgangs miteinander auf, reflektiert verschiedene gesellschaftliche Verhältnisse, Zwänge und dokumentiert natürlich auch den unterschiedlichen Stand der Wissenschaft zum Buchthema in verschiedenen Zeitepochen." Die Zeitschrift kann bestellt werden, auch als Einzelheft: hier.

Der Jurist und Soziologe Prof. Dr. Rüdiger Lautmann rezensierte "Making Sex Revisited" zusammen mit "Geschlecht: Wider die Natürlichkeit" für die Zeitschrift für Sexualforschung. Lautmann schreibt u.a.: "Die beiden Bücher ["Making Sex Revisited" und "Geschlecht"] Bücher attackieren die verbreitete Grundüberzeugung, dass Menschen von Natur aus ein Geschlecht „haben“ und dass dieses Merkmal nach weiblich / männlich strikt zweigeteilt sei. Auch in der Sexualwissenschaft – sei sie grundlagenorientiert oder klinisch – wird weithin so gedacht, geschrieben und behandelt. Voß trägt seine Attacke nicht – wie sonst so viele – als bloßes Postulat vor, sondern entwickelt sie denkgeschichtlich, und zwar derart materialreich, dass der Kritik irgendwann die Puste ausgehen muss. [...] Die Bremer „phil. Diss.“ eines von der Biologie herkommenden Autors [...] zeigt uns in überwältigender Materialfülle, wie das abendländische Denken zum Geschlechterbinarismus verlaufen ist. In einer sehr umfangreichen Recherche wird die Forschungsliteratur ausgewertet (bei den historischen Partien sekundäranalytisch). Seitdem man von einer Biologie als Wissenschaft sprechen kann, werden die einschlägigen Texte präsentiert (Primäranalyse). [...] In Kapitel I widmet sich die Dissertation dem Geschlechterverständnis der griechisch-römischen Antike und findet hier Ideen zur Ein- und Zweigeschlechtlichkeit vor. [...] Das (ausführlichste) Kapitel II schildert, wie die Kategorie Geschlecht in der Moderne konstituiert wird. [...] Kapitel III, für den Nichtnaturwissenschaftler streckenweise hermetisch, diskutiert die biologischen Vorgehensweisen zur Erklärung der Geschlechtsentwicklung. Die Theorien entwickeln sich weg von einer vorrangigen Determination durch DNA oder Gene, hin zu neuen Modellen komplex interagierender und kommunizierender molekularer Komponenten. Im Einzelnen untersucht Voß die Wissensbestände zur Differenzierung des Genitaltraktes in der Embryonalentwicklung. Weder einzelne Gene noch das vielgenannte Y-Chromosom determinieren eindeutig das sich ausprägende Geschlecht; das reduktionistische Modell einer Y-chromosomal aktivierten männlichen Entwicklung gegenüber einer automatisch ablaufenden weiblichen Entwicklung ist durch das hochkomplexe Modell vielfältiger Genregulationsprozesse zu ersetzen. Vielfältige zelluläre Prozesse (und umgebende Einflüsse) bestimmen, welche DNA-Sequenzen zu Informationen werden bzw. welche Informationen aus solchen DNA-Sequenzen gezogen werden (S. 296–305). Am Beispiel einer Gen-Expressionsanalyse wird vorgeführt, wie im scheinbar neutralen experimentellen Vorgehen der Biomedizin die Vorannahmen der Forschenden zu einer stets gegebenen Geschlechterdichotomie das methodische Vorgehen bestimmen, sodass die passenden Ergebnisse und Interpretationen resultieren (S. 288–296). Geschlechtsdetermination erweist sich in dieser Sicht als ein Resultat von Prozessen, Interaktionen, Kommunikationen von zahlreichen molekularen Komponenten in der Zelle, im Organismus und mit der Umwelt. [...] Voß‘ Studien enthalten einen beträchtlichen Mehrwert an Erkenntnis. Man wird zukünftig nicht von der kulturellen Selbstverständlichkeit ausgehen können, die Aufteilung in zwei Geschlechter (zuzüglich einiger quantitativ seltener Besonderheiten wie Transgender und Intersexe) sei ein eindeutiges Resultat der Biologie. Vielmehr wird man anerkennen müssen, dass auch die Biologie – ebenso wie seit einiger Zeit die kulturologische Genderforschung – immer schon mehrere Denkmodelle gepflegt hat. Weiterführend ist auch der erfolgreiche Versuch Voß‘, die Illusion von einer rein tatsachenbezogenen und objektivistischen Naturwissenschaft auszuhebeln. Weist er doch an vielen Stellen nach, dass hier eine intuitive Wahrheit zur Geschlechtsbinarität bereits vorausgesetzt wird – indem „‚männliches‘ Geschlecht in der überwiegenden Anzahl der gesellschaftlichen und naturphilosophisch bzw. biologisch-medizinischen Beschreibungen gegenüber ‚weiblichem‘ Geschlecht erhöht wurde“ (S. 314). In den Studien blieben die impliziten Annahmen unangetastet oder erschienen am Ende als bestätigt. Diese Fälle eines circulus vitiosus aufgezeigt zu haben, zählt zu den stärksten Resultaten der Studie. Sie wurden nur in der Kombination einer soziokulturellen und naturbezogenen Betrachtungsweise möglich: Der soziologische Nachweis, dass die Geschlechterdifferenz kulturell produziert und daher auch änderbar ist (zuerst bei Erving Goffman 1977) ermöglichte überhaupt erst diese Analysen der Geschlechterbiologie und förderte die Kontingenz der Binarität zutage. Inzwischen arbeiten auch weitere Studien an einer kultur- und sozialwissenschaftliche Analyse, worin die bisherigen Gewissheiten zur sozialen Strukturierung der Zweigeschlechtlichkeit angefochten werden. So postuliert Christoph Kucklick eine „Negative Andrologie“‘ (2008), die das Verständnis der Männerdominanz überschreibt. Hierzu enthierarchisiert Kucklick das Verhältnis der Geschlechter, doch verbleibt er, nach einigen kritischen Bemerkungen gegen den Binarismus, innerhalb dessen Bezugsrahmen. Die Denkbereiche werden zukünftig, wie von Voß begonnen, mehr aufeinander hören und aneinander anschließen. Auch Volkmar Sigusch sah gerade erst in dieser Zeitschrift eine „geöffnete Grenze zwischen Natur- und Gesellschaftsprozess“ (2011: 284)." Zur Besprechung.

Die Altertumswissenschaftlerin Steffi Grundmann besprach das Buch gerade auch im Hinblick auf die Ausführungen zu Antike und Geschlecht auf dem Blog Grundmast und schreibt unter anderem: "Heinz-Jürgen Voß untersucht in Making Sex Revisited die diskursive Herstellung biologischer Geschlechtlichkeit in naturphilosophischen, biologischen und medizinischen Diskursen. Im Zentrum der Arbeit stehen moderne naturwissenschaftliche Diskurse. Einführend werden jedoch die Komplexität und Vieldeutigkeit vormoderner Vorstellungen biologischer Geschlechtlichkeit und ihrer Entstehung dargestellt. [...] Es wird deutlich, dass eine Vielzahl verschiedener Konzeptionen der Geschlechtsentstehung miteinander konkurrieren. Die Vorstellung eines ‘Ein-sex-Modells’, wie Thomas Laqueur es vorgeschlagen hat, reduziert diese Vielfalt und Widersprüchlichkeit auf ein Modell, dass universell gegolten habe, und ist insofern nicht geeignet antike Vorstellungen sinnvoll darzustellen. Im Anschluss erhärtet Voß diese Infragestellung der Thesen Laqueurs, indem er aufzeigt, dass moderne und aktuelle bio-medizinische Diskurse nicht eindeutig und universell einem ‘Zwei-sex-Modell’ zugeordnet werden können. Die Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur naturwissenschaftskritischen Geschlechterforschung und zeigt Alternativen für den aktuellen bio-medizinischen Umgang mit der sogenannten biologischen Geschlechtlichkeit und ihrer Entstehung auf. Zentrale Erkenntnisse und Ergebnisse der Arbeit sind:

  • die (nochmalige) Belegung des Konstruktionscharakters biologischer Geschlechtlichkeit,
  • die Sensibilisierung für die Wandelbarkeit der Vorstellungen über sex,
  • die Fokussierung auf Kontinuität und Wandel als Prozesse, die in einem engen Wechselverhältnis stehen.

[...] Aus altertumswissenschaftlicher Perspektive ist die sinnvolle Heranziehung der antiken Diskurse und ihre Einbettung in die Ergebnisse hervorzuheben. Voß beschränkt sich nicht darauf, legitimierend auf antike Diskurse und Praktiken zu verweisen, wie dies häufig geschieht. [...]" direkt zur Rezension

Ingeborg Breuer würdigte "Making Sex Revisited" bei Deutschlandfunk Studiozeit (26.1.2012) wie folgt: "Die amerikanische Philosophin Judith Butler erregte schon vor Jahren Aufmerksamkeit mit ihrer These, dass 'Mann' und 'Frau' ausschließlich soziale Kategorien seien, durch die den Körpern erst ein biologisches Geschlecht eingeschrieben werde. [...] Heinz-Jürgen Voss überbietet diese Position noch einmal, indem er in seiner Dissertation, so wörtlich, eine "Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive" versuchte: 'Es geht darum aufzuzeigen, dass es das typisch Männliche und das typisch Weibliche nicht gibt und dass schon, wenn wir uns organische Strukturen ansehen, [wir] immer auf eine Individualität dieser Ausformungen [stoßen]', [so Voss]."

Besprechung bei femorantipole.blogsport.de. Dort heißt es u.a.: "die arbeit zeigt, dass bereits die vorannahmen zu gegenwärtigen biologischen untersuchungen, etwa von genen und genprodukten, vom binären geschlechterbild geprägt sind und so die variabilität und komplexität von ‚geschlechtsentwicklung‘ nicht in den blick nehmen können. [...] voß plädiert für eine offenere biologie und spricht sich für die anerkennung von geschlecht als variantenreiche kategorie aus. sie_er verurteilt die medizin für an säuglingen mit vermeitlich ‚uneindeutigem‘ geschlecht vorgenommene operationen und schließt mit den worten: „Wenn Du und Ich […] stärker Eigenschaften, Bedürfnisse und Merkmale konkret benennen, die Dir und Mir wichtig sind, auf die sich Dein und Mein Begehren richten, dann sind wir schon dabei, über Dich und Mich, über Uns, über Menschen zu sprechen – und nicht über Geschlecht.“ (S. 326)"

Die Historikerin, Philosophin und Politikwissenschaftlerin Kerstin Bischl rezensierte "Making Sex Revisited" auf H-Soz-u-Kult, Fachforum und moderierte Informations- und Kommunikationsplattform für Historikerinnen und Historiker. Bischl schreibt u.a.: "Die Auseinandersetzung mit historischen Geschlechtermodellen ist Ausgangspunkt von Voß' Buch, und diese führt er [...] sehr solide, kenntnisreich und reflektiert. [B]islang gibt es nur wenig Versuche, zeitgenössische molekular-biologische Erkenntnisse über Geschlecht jenseits sprachphilosophischer Argumente fundiert und kritisch in den Blick zu nehmen. Als Diplom-Biologe und Doktor der Philosophie ist Voß vermutlich auch einer der wenigen, die dies können." Die Rezension findet sich hier.

Der Journalist und Historiker Ferdinand Knauß würdigte das Buch auf seinem Blog "Geschlechtsverwirrung"  und schreibt u.a.: "Die Arbeit ist ein seltenes Beispiel wirklicher Transdisziplinarität. Für Biologen ist der historisch-diskursanalytische Teil vermutlich kaum zu beurteilen, für geisteswissenschaftlich geprägte Leser – wie den Autor dieses Beitrags – ist die Qualität des epigenetisch und molekularbiologisch argumentierenden Kapitels schwierig zu bewerten." und an anderer Stelle: "Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Dissertation eines jungen Vertreters der Gender & Science Studies. Heinz-Jürgen Voß hat Biologie studiert, wurde aber von dem Soziologen Rüdiger Lautmann promoviert. Finanziell unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei will Voß in seiner Arbeit den Nachweis geführt haben, dass es auch aus biologischer Perspektive kein „natürliches Geschlecht“ gebe. [26] Die molekularen Prozesse in Embryonen zeigten, so Voß, dass auch biologisch nicht nur zwei, sondern „viele Geschlechter“ denkbar seien. Ob Voß’ Darstellung unter rein epigenetischer Perspektive zutreffend ist oder nicht, das vermag ich nicht zu beurteilen. Es ist jedenfalls kein Geheimnis, dass der Mensch keine absolut und ausnahmslos geschlechtsdimorphe (zweigestaltige) Art ist, weder bezüglich der Zusammensetzung der Chromosomen, noch in Bezug auf Hormonhaushalt, Geschlechtsdrüsen oder äußere Sexualorgane. Schätzungsweise bei zwei Prozent aller geborenen Kinder sind Abweichungen vom Dimorphismus feststellbar. [27] Aber was beweist das? Nur weil es seltene Fälle gibt, in denen Entwicklungsprozesse von Embryonen vom Normalverlauf abweichen, heißt das nicht, dass diese Phänomene den gleichen Stellenwert haben wie der Normalfall. Sollte man nicht mehr sagen „Löwen haben gelbes Fell“, weil es auch Albino-Löwen mit weißem Fell gibt?" Die vollständige Rezension findet sich hier

Die Journalistin Heike Friauf rezensierte in Junge Welt und schreibt unter anderem: "Das Buch 'Making Sex Revisited' des Biologen Heinz-Jürgen Voß, ein quellenreicher Forschungsbericht [...], wird mit Freude aufgenommen. [...] Voß [...] stellt naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Theorien vor, die belegen, dass auch die biologische Seite des Geschlechts, in der Gender-Terminologie sex, gesellschaftliches Konstrukt ist." Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion hier die Rezension als Volltext (jpg-Datei).

Die Kommunikationswissenschaftlerin und Geschlechterforscherin Bettina Enzenhofer rezensierte für die Juni-Ausgabe des feministischen Monatsmagazins an.schläge. Enzenhofer schreibt u.a.: "[Der Band erfreut] das Herz der Geschlechterforscherin. [Biologisches Geschlecht] wird von Voß, der selbst Biologe ist, aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive dekonstruiert. Er spannt den geschichtlichen Bogen von der Antike bis heute und stellt fest: Was wir über Sex zu wissen glauben, ist in gesellschaftliche Bedingungen eingebunden, denn Theorien verändern sich [...]" Die vollständige Rezension findet sich mit freundlicher Genehmigung hier (1,7 mb).

Die Kulturwissenschaftlerin, Informatikerin und Geschlechterforscherin Katrin Kämpf besprach "Making Sex Revisited" für die Juli/August-Ausgabe der L.Mag. Kämpf schreibt u.a.: "[Ein] bahnbrechendes Werk, das hoffentlich schnell in den Kanon der Gender und Queer Studies aufgenommen wird." Mit freundlicher Erlaubnis der Redaktion findet Ihr die Rezension hier als Volltext online.

Julian Bierwirth rezensierte "Making Sex Revisited" für die Zeitschrift Krisis und beurteilt u.a.: ""'Making Sex Revisited' [ist] Pflichtlektüre für alle die, die sich bislang noch sicher waren, dass die Annahme biologischer Zweigeschlechtlichkeit objektives Naturgesetz sei. In diesem Sinne: lesen!" Die vollständige Rezension findet sich hier.

Auf genderqueer erschien am 2.7.2010 eine Rezension. In ihr heißt es u.a.: "Ein sehr überzeugendes, gut geschriebenes, leser_innen_freundliches Buch, das längst überfällig war. Es bleibt zu hoffen, dass es (nicht nur) Mediziner_innen und Biolog_innen hilft, ihre dogmatischen Vorannahmen zu überwinden und sich den Menschen wie Du und Ich mit unseren Eigenschaften und Bedürfnissen zuzuwenden – ein ›Geschlecht‹ ist dafür nicht nötig."

Im Transgenderradio wurde das Buch am 27.3.2012 besprochen. U.a. heißt es in der Rezension: "Die Leistung des Buches ist es, aufzuzeigen, dass der Sicherheit mit der immer wieder auf die biologischen Erkenntnisse Bezug genommen wird, ganz und gar keine Gewissheiten entsprechen. „Making Sex Revisited“ ist ein wichtiges und längst überfälliges Buch, das einen fundierten, historischen Überblick über die Geschlechtertheorien aus Perspektive der Biologie gibt, methodisch für naturwissenschaftliche Betrachtungsweisen von Geschlecht neue Standards setzt und grundlegend für eine Vielzahl anzuschließender Forschungsarbeiten sein dürfte."

Dr. Anja Gregor besprach das Buch für Maedchenblog - und dort besteht auch viel und gute Möglichkeit zur Diskussion. Gregor schreibt u.a.: "[Die Studie] bietet Anregungen für reflektierte Biolog_innen, die bereit sind, über den Rand ihrer Objektträger und Deckgläschen hinaus neuen Sichtweisen den Zugang zur Biologie zu ermöglichen." Direkt zur Rezension: hier.

Rolf Löchel (er begründete 1999 u.a. mit: Arbeitskreis Zukunft des Zentrums für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung) rezensierte "Making Sex Revisited" bei www.literaturkritik.de. Dort heißte es u.a.: "Der Band bietet nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit der von Laqueur behaupteten strikten Trennung und historischen Abfolge der Annahmen des Ein-Geschlechter-Modells und des diesem folgenden Zwei-Geschlechter-Modells, sondern unternimmt ebenso die im Untertitel angekündigte Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Sicht." Direkt zur Rezension geht es: hier

Der Philosoph und Literaturwissenschaftler Johannes Ungelenk rezensierte für die "Rosigen Zeiten" und macht dort Vorschläge auch zum Weiterdenken! Ungelenk schreibt u.a.: "Auf brillante Art und Weise spiegelt Voß' enzyklopädische Übersicht gleichzeitig die (binär-geschlechtliche) Voreingenommenheit des wissenschaftlichen Fragens und die Komplexität der Antworten wider. [...] Voß kommt absolut überzeugend und mit dem reichhaltigen Corpus an versammelten medizinisch-biologischen Theorien im Rücken zum Ergebnis, dass die gesellschaftlich etablierte Norm der Zweigeschlechtlichkeit der komplexen Vielfalt, Variabilität und Prozesshaftigkeit der Vorgänge [...] nicht gerecht wird." Die Rezension findet sich bei "Rosige Zeiten" (als pdf) und auch schon hier (als html).

Die Texterin, Ghostwriterin und Soziologin Tina Pruschmann rezensierte beim "Netzwerk der Autoren", suite101. In der Besprechung heißt es u.a.: "Voß zeigt [...] dass es gute Gründe gibt, [...] männlich-weiblich nicht als ein Entweder-oder zu beschreiben, sondern als ein Sowohl-als-auch [...]. Der Autor legt mit der Untersuchung ›Making sex revisited‹ eine akribisch recherchierte und sich auf allen Ebenen reflektierende Arbeit vor, die sich vor allem durch eine durchgehend sensible und sehr präzise Sprache auszeichnet." Die Besprechung findet sich: hier

Caroline Günther besprach "Making Sex Revisited" in Freiburger Geschlechterstudien (Heft 24/2010, S.353-356, hier online): "Voß liefert [...] eine überzeugende empirische Grundlage einer innerhalb wissenschaftlicher (Geschlechter-)Diskurse mittlerweile 20 Jahre währenden Theoriediskussion."

Verena Schuh rezensierte für Gender - Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft. Schuh schreibt u.a.: "Aufgrund der guten Strukturierung und der ausführlichen Darlegung wird es der lesenden Person leicht gemacht, sich ein Bild über die naturwissenschaftliche Landschaft und ihre Entwicklung zu machen. [...] Kurzum, ›Making Sex Revisited‹ ist eine Wohltat, bietet Ansätzen kritischer Gender Studies breite Anschlusspunkte, ist erkenntnisreich und spannend zu lesen." Die Rezension, erschienen in der Ausgabe 3/2010, S.157-159, ist hier online.

Dr. Merve Winter rezensierte das Buch für die Literaturbeilage der Phase 2 (Nr. 38, 2010, S.2-3 der Literaturbeilage) und schreibt u.a.: "[V]or allem Voß' Kritik an der gängigen Praxis innerhalb der Biologie, andere Säugetiere als mögliche Modellorganismen für den Menschen zu betrachten, erscheint nachvollziehbar.".

Michel Reiter besprach auf Postgender vier aktuelle Dissertationen und prüfte sie auf ihr Potenzial zum Beenden der derzeit noch immer in der Bundesrepublik Deutschland praktizierten geschlechtszuweisenden Operationen und Hormonen bei Säuglingen und Kleinkindern uneindeutigen Geschlechts.

Der Historiker Stefan Micheler rezensierte "Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive" in der Invertito - Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten (Heft neu im Buchhandel: Nr.12, S.163-166) und schreibt u.a.: "[Voß liefert] eine breit angelegte Studie, die die gerade in der Queer Theory grundlegende These der Konstruktion des biologischen Geschlechts in den neuzeitlichen und modernen Fachdisziplinen dezidiert zu bestätigen vermag."

Auch in der Zeitschrift "Impulse", der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V., Heft 67, mit dem Schwerpunkt "›Sex und mehr ...‹ Sexualität und Gesundheit" ist eine kurze Besprechung erschienen. In der Rezension heißt es u.a.: "Dieses Buch differenziert die einzelnen historischen Positionen [zu Geschlecht] aus biologisch-medizinischer Perspektive und begründet treffend die Annahme, dass mehrere Geschlechter möglich sind."

Geschlecht ist gesellschaftlich gemacht. Dass das auch für das biologische Geschlecht sex gilt – ein Postulat queer-feministischer Theorien –, kann dieser Band anhand biologischer Theorien erstmals dezidiert und differenziert belegen.
Die naturphilosophischen und biologisch-medizinischen Geschlechtertheorien unterschiedlicher Zeitabschnitte (Antike, beginnende Moderne, Gegenwart) werden dargestellt und in die gesellschaftlichen Geschlechterordnungen eingeordnet. Heinz-Jürgen Voß führt die miteinander ringenden Positionen differenziert aus und zeigt: Mit prozessorientierten Betrachtungsweisen sind in biologischen Theorien viele Geschlechter denkbar – statt nur zwei oder drei.

Heinz-Jürgen Voß (Dipl.-Biol., Dr. phil.) lehrt zu Geschlecht und Biologie an verschiedenen Universitäten. Seine Forschungsschwerpunkte sind biologische Geschlechtertheorien, Queer Theory und Queer Politics.

Mehr Informationen zum Buch, eine Leseprobe etc. finden sich beim Verlag

Rezensionen finden sich hier