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Nun zum Download: Das Buch "Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive" ist jetzt als OPEN-ACCESS verfügbar. Es kann z.B. hier als PDF-Datei heruntergeladen werden: Making Sex Revisited (Volltext) (DOI: https://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/461573 )

Ich finde es insgesamt wichtig, dass wissenschaftliche Erkenntnisse möglichst breit für alle verfügbar sind. Bei "Making Sex Revisited" freut es mich umso mehr, weil einige, die meine Arbeit anhand von kurzen Interviews diskutierten, keine Gelegenheit hatten, in eine der zu Grunde liegenden wissenschaftlichen Arbeiten zu sehen. Über Rückmeldungen zum Buch freue ich mich sehr! Eine Übersicht über die erschienenen Rezensionen zu "Making Sex Revisited" findet sich übrigens hier: Rezensions-Übersicht. (Darüber hinaus ist als wissenschaftlicher Einstieg auch weiterhin "Geschlecht: Wider die Natürlichkeit" empfohlen.)

Weitere Arbeiten schließen an "Making Sex Revisited" an - gerade mit Blick auf die Verschränkung von Herrschaftsverhältnissen. "Queer und (Anti-)Kapitalismus" (gemeinsam mit Salih Alexander Wolter) und "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" (gemeinsam mit Zülfukar Çetin) sind für die Lektüre im Anschluss besonders zu empfehlen.

Viel Freude beim Lesen!

von Heinz-Jürgen Voß

Die Bände „Adams Apfel und Evas Erbe“ des Biologen Axel Meyer und „Das Gender-Paradoxon“ des Pflanzenphysiologen und Biologen Ulrich Kutschera haben gesellschaftlich für Debatten gesorgt. Beide erwidern aktuellen Erkenntnissen der Geschlechterforschung; punktuell haben sie hierfür auch Arbeiten aus dieser Disziplin gelesen. Ulrich Kutschera macht das bereits im Titel kenntlich, in dem er hier Anleihe beim verbreiteten Buch „Gender-Paradoxien“ der  Soziologin und Geschlechterforscherin Judith Lorber nimmt, das 1999 auch in deutscher Sprache erschien(1995 auf Englisch).

Nach der Lektüre von Kutscheras Band ist Axel Meyers Publikation ein entspannender Stoff. Seine Aussagen sind gewiss streitbar, aber sie werden ruhig argumentierend vorgetragen. An verschiedenen Stellen wird kurz auch auf die wissenschaftlichen Gegenpositionen im biologischen Feld verwiesen – so z. B. auf den Populationsgenetiker Richard Lewontin, der in seinen Arbeiten der 1990er und 2000er Jahre die Einengung und Erstarrung in biologischer Theoriebildung beklagt hatte, etwa in dem vielbeachteten Buch „Biology as Ideology“ (1991). Ebenso wird der Paläontologe Stephen Jay Gould, der in dem 1983 auch in deutscher Sprache erschienenen Werk „Der falsch vermessene Mensch“ rassistischen Vorannahmen in biologischer Forschung nachging, von Meyer – respektvoll – erwähnt.Weiterlesen » » » »

Im Talheimer Verlag gibt es die schöne Reihe nut e.V., in der seit Beginn der 1990er Jahre eine ganze Zahl sehr guter Arbeiten zu feministischen Perspektiven in Naturwissenschaft und Technik erschienen sind. Nun sind alle Bände wieder erhältlich - und sehr zu empfehlen! Hier gibt es eine Übersicht über die Bände. Darunter sind unter anderem und für die Themen dieses Blogs besonders interessant:

Band 09: Die Fortpflanzung der Geschlechterverhältnisse: Das metaphorische Feld der Parthenogenese in der Evolutionsbiologie

  • von Kirsten Smilla Ebeling
  • 368 Seiten, br., 19,50 €
  • aus dem Vorwort: "Die vorliegende Arbeit ist einem Thema der biologischen Forschung gewidmet, das erst auf den zweiten Blick seine Brisanz und Aktualität offenbart. ‚Parthenogenese‘, wörtlich übersetzt ‚Jungferngeburt‘, ist ein Spezialbegriff der Zoologie. Er kennzeichnet eine Fortpflanzungsart, die in den Lehrbüchern der Biologie als Sonderform, als Randphänomen der ‚normalen‘ und evolutionsbiologisch angeblich ‚vorteilhafteren‘ zweigeschlechtlichen Fortpflanzung erscheint. In ihrer Arbeit zeigt Smilla Ebeling, dass diese ‚Randposition‘ der Parthenogenese weniger ihrem seltenen Vorkommen – das bei genauerem Hinsehen aber gar nicht so marginal ist –, als vielmehr der Überlagerung biologischer Diskurse mit den durch ein zweigeschlechtliches Gender-Dispositiv hervorgerufenen Stereotypen und Denkbildern geschuldet ist."
  • Link zum Buch beim Verlag

Band 11: Das Geschlecht der Biologie

  • hg. von Bärbel Mauß, Barbara Petersen
  • 144 Seiten, br., 15.00 €
  • Aus der Beschreibung: "Im Mittelpunkt des vorliegenden Sammelbandes stehen drei zentrale Fragenfelder der feministischen Biologieforschung: Wie strukturiert die Kategorie Geschlecht biologische Forschung? Wie entwirft die Biologie als Wissenschaft die Kategorie Geschlecht? Wie ist das Verhältnis zwischen Biologie und der Kategorie Geschlecht? Auf diese Fragen geben Fachwissenschaftlerinnen in der Tradition der deutschsprachigen feministischen Auseinandersetzung mit Naturwissenschaften, Technik und Medizin Antworten. ..."
  • Link zum Band beim Verlag

Band 12: Naturwissenschaften und Gender in der Hochschule - Aktuelle Forschung und erfolgreiche Umsetzung in der Lehre

  • hg. von Helene Götschel, Doris Niemeyer
  • 192 Seiten, br., 20,00 €
  • Aus der Beschreibung: "Hochschule und Wissenschaft sind, wie alle gesellschaftlichen Institutionen und Bereiche, tiefgreifend durch das (soziale) Geschlecht – oder Gender – strukturiert. Frauenforschung und Geschlechter- oder Genderforschung, also Forschung mit Reflexion auf Gender, untersuchen die Konstruktionen dieser Strukturen, vor allem die soziokulturellen Konstruktionen von Weiblichkeit und Männlichkeit sowie ihres Verhältnisses zueinander. Die Analysen verweisen meist auf strukturelle Ungleichheitslagen, auf historisch und kulturell determinierte Herrschaftsformen, auf hierarchische Geschlechterverhältnisse in Hochschulen und Gesellschaft wie auch auf androzentrische Wissenschaftskonzepte. Diese Ungleichheitslagen reproduzieren sich zudem aufgrund der herrschenden Strukturen. Somit ist das Forschungsinteresse der Geschlechterforschung oft mit dem Impuls zu Veränderungen verbunden und hat gesellschaftlich, hochschulpolitisch und wissenschaftlich relevante Innovationen zur Folge." (Doris Niemeyer)
  • Link zum Band beim Verlag

Hier finden sich weitere Literatur- und Videoempfehlungen zu Geschlecht und Biologie.

[Die nachfolgende Liste wird kontinuierlich erweitert - letzte Aktualisierung: 9.8.2018.]

Literaturliste: Geschlecht und Biologie - aktuelle Forschung

Im Folgenden findet sich ein Überblick über Forschungen zu Geschlecht und Biologie, der stetig erweitert wird. Dabei werden insbesondere Beiträge aus der Neurobiologie, der Genetik, der Epigenetik, der Hormonforschung und der Evolutionsbiologie aufgenommen; berücksichtigt sind einerseits deutschsprachige Arbeiten (die einen Zugang ermöglichen sollen), andererseits besonders wegweisende deutsch- und englischsprachige Publikationen. Berücksichtigt sind Videos, online verfügbare Artikel und Hinweise auf Bücher.

Gute Filme, um Diskussionen zu eröffnen:

Homoelektrik, Leipzig (2009): "Doktorspiele" - oder: Welches Geschlecht hat Mutti Natur? zum Film

Maria Helena (2011): "Stimme X/Y" - oder: – Wenn die Stimme irritiert. Film mit Tino (Valentin). zum Film

Voß, H.-J. (2011): "Zur gesellschaftlichen Konstruktion von biologischem Geschlecht", gehalten in Gießen. zum Film

Vorträge zum Anhören:

Palm, K. (2009): Die Natur der Schönheit. (Kritische Betrachtungen zur evolutionstheoretische Attraktivitätsforschung) Zum Vortrag

Palm, K. (2009): Was kann die biologische Forschung über Geschlechterunterschiede aussagen? Zum Vortrag

Voß, H.-J. (2010): Das Geschlecht der Gleichen. Entsprechungen und Gleichheit von Mann und Frau in biologischen Geschlechtertheorien. Zum Vortrag

Butler, J. (2011): Gender Performance. (Butler erläutert u.a. den Unterschied zwischen "...Gender is performed..." und "...Gender is performative...") Video hier online.

(Etwas anderes Thema: Voß, H.-J. (2011): Queer und Kapitalimsuskritik (bzw. Geschlecht und kapitalistische Produktionsweise). Zum Vortrag - dort unter 2.)

Zur populären Annäherung:

Bahnsen, U. (2008): Erbgut in Auflösung: Das Genom galt als unveränderlicher Bauplan des Menschen, der zu Beginn unseres Lebens festgelegt wird. Von dieser Idee muss sich die Wissenschaft verabschieden. In Wirklichkeit sind unsere Erbanlagen in ständigem Wandel begriffen. ZEIT Online

Jordan, Kirsten, Quaiser-Pohl, Claudia. Warum Frauen glauben, sie könnten nicht einparken und Männer ihnen Recht geben. Über Schwächen, die gar keine sind. DtV 2007.

Schmitz, S. (2006): »Niemand weiß, ob eine Frau oder ein Mann das Werkzeug erfunden hat« ZEIT Online

Zur wissenschaftlichen Annäherung:

Online:

Butler, Judith. Doing Justice to Someone - Sex Reassignment and Allegories of Transsexuality. GLQ, 7 (2001), 4, 621-636 (In deutscher Übersetzung: Butler, Judith. Jemandem gerecht werden – Geschlechtsangleichung und Allegorien der Transsexualität. Das Argument, 242 (2002)
Online: http://www.linksnet.de/de/artikel/18051 ).

Klinge, I., Wiesemann, C. (2010): Sex and Gender in Biomedicine : Theories, Methodologies, Results. Universitätsverlag, Göttingen. (als Volltext Online)

Mauss, B. (2001): Zur Neuerfindung des biologischen Geschlechtes in
molekulargenetischer Forschung am Ende des 20. Jahrhunderts. Online.

Fausto-Sterling, Anne: The Five Sexes – Why Male and Female Are Not Enough. The Sciences, March/April 1993, S.19-25.

Fausto-Sterling, Anne: The Five Sexes, Revisited – The Varieties of Sex Will Test Medical Values and Social Norms. The Sciences, July/August 2000, S.17-23.

Palm, K. (2012): Kontextualisierte Epigenetik. GID 212 (Juni 2012): 33-35.

Palm, K. (2015). Gehirnforschung. In  Gender Glossar / Gender Glossary (3 Absätze). Verfügbar unter http://gender-glossar.de.

Schmitz, Sigrid: Wie kommt das Geschlecht ins Gehirn? Über den Geschlechterdeterminismus in der Hirnforschung und Ansätze zu seiner Dekonstruktion. Forum Wissenschaft, 4 (2004).
Online: http://www.linksnet.de/de/artikel/19193

Taylor, T. J. (1992): Twin Studies of Homosexuality. Dissertation, Trinity College Cambridge. (Online) (Zwillingsstudien mit Fragen zu Homosexualität werden kritisch betrachtet und in der Heterogenität ihrer Ergebnisse vorgestellt.)

Voß, H.-J. (2008): Feministische Wissenschaftskritik am Beispiel der Naturwissenschaft Biologie. In: Freikamp, U., Leanza, M., Mende, J., Müller, S., Ullrich, P., Voß, H.-J. (Hrsg.): Kritik mit Methode? Forschungsmethoden und Gesellschaftskritik (Texte 42). Karl Dietz Verlag, Berlin, S.233-252.
Online: http://www.rosalux.de/cms/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Texte-42.pdf

Voß, Heinz-Jürgen (2009): Angeboren oder entwickelt? Zur Biologie der GEschlechtsbestimmung. GID Spezial, 9: S.13-20. (Hier mit freundlicher Einwilligung der Redaktion als Volltext online.)

Voß, Heinz-Jürgen (2010): Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive. OPEN-ACCESS, df-Datei.

Voss, H.-J. (2011): Sex In The Making - A Biological Approach. Online, pdf.

Voß, H.-J. (2011): „Weiblichmännlich“, „männlichweiblich“ – bisexuelle Konstitution als Basis „moderner“ biologisch-medizinischer Geschlechtertheorien. In: Schneider, Martin / Diehl, Marc (Hrsg., 2011): Gender, Queer und Fetisch: Konstruktion von Identität und Begehren. Männerschwarm, Hamburg, S.11-29. Online.

Voß, H.-J. (2013): Epigenetik und Homosexualität. Dasendedessex, 11/2013. Online.

Gedruckt:

1-0-1 [one 'o one] (Hg.). Das Zwei-Geschlechter-System als Menschenrechtsverletzung. Berlin. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst 2005.

Birke, L. (1986): Women, Feminism and Biology – the Feminist Challenge, Brighton.

Birke, L., Hubbard, R. (Hrsg., 1995): Reinventing Biology – Respect for Life and the Creation of Knowledge, Bloomington.

Bleier, R. (1984): Science and Gender – A Critique of Biology and Its Theories on Women, New York.

Burren, Susanne, Rieder, Katrin. Organismus und Geschlecht in der genetischen Forschung. Eine wissenssoziologische Studie. Bern. Institut für Soziologie 2003 (Erstaufl. 2000).

Butler, Judith. Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/Main. Suhrkamp 1991 (engl. 1990).

Butler, Judith. Körper von Gewicht. Frankfurt/Main. Suhrkamp 1997 (engl. 1993).

Degele, N., Schmitz, S., Mangelsdorf, M., Gramespacher, E. (2010): Gendered Bodies in Motion. Budrich Verlag, Opladen.

Ebeling, Kirsten Smilla. Die Fortpflanzung der Geschlechterverhältnisse. Das metaphorische Feld der Parthenogenese in der Evolutionsbiologie. NUT-Schriftenreihe Band 9. Mössingen-Thalheim. Talheimer Verlag 2002. (hier bestellbar)

Ebeling, Kirsten Smilla, Schmitz, Sigrid (Hrsg.): Geschlechterforschung und Naturwissenschaften – Einführung in ein komplexes Wechselspiel. Wiesbaden. VS Verlag 2006.

Fausto-Sterling, Anne. Gefangene des Geschlechts? Was biologische Theorien über Mann und Frau sagen. München, Zürich. Piper 1988 (engl. 1985).

Fausto-Sterling, A.: Sexing the Body – Gender Politics and the Construction of Sexuality. New York 2000.

Haraway, D. (1995 [engl. 1984]): Die Neuerfindung der Natur – Primaten, Cyborgs und Frauen. Campus, Frankfurt M./New York.

Harding, S. (1994 [engl. 1991]): Das Geschlecht des Wissens. Campus, Frankfurt M./New York.

Hirschauer, S.: Die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 46 (1994), 4, 668-692.

Hund, W. D. (2008): Ein Traum der Vernunft - Das weiße Eutopia des James Watson. Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 11/2008. Online

Jordan-Young, R. (2011): Brain Storm: The Flaws in the Science of Sex Differences. Harvard UP.

Keller, E. F. (1997 [Erstaufl. 1983]): A Feeling for the Organism – The Life and Work of Barbara McClintock. New York.

Keller, E. F. (2001 [engl. 2000]): Das Jahrhundert des Gens. Campus, Frankfurt M./New York.

Klinge, I., Wiesemann, C. (2010): Sex and Gender in Biomedicine : Theories, Methodologies, Results. Universitätsverlag, Göttingen. (als Volltext Online)

Mauss, B. (2001): Die kulturelle Bedingtheit genetischer Konzepte. Das Beispiel Genomic Imprinting. Das Argument, 43 (242): S.584-592.

Mauss, B. (2004): Genomic Imprinting im Kontext feministischer Kritik. In: Schmitz, S., Schinzel, B. (Hrsg.): Grenzgänge. Genderforschung in Informatik und Naturwissenschaften. Helmer, Königstein, S.149-163.

Mauss, Bärbel, Petersen, Barbara (Hg.): Das Geschlecht der Biologie. NUT-Schriftenreihe Band 11. Mössingen-Thalheim. Talheimer Verlag 2006. (hier bestellbar)

Mauss, B. (2008): Ursprung und Geschlecht: Paradoxien in der Konzeption von Geschlecht in Erzählungen der Molekularbiologie. In: Esders, K., Lucht, P., Paulitz, T. (Hrsg.): Recodierungen des Wissens: Stand und Perspektiven der Geschlechterforschung in Naturwissenschaft und Technik. Campus Verlag, Frankfurt/Main, New York, S.213-229.

Mußmann, Frank. Komplexe Natur – Komplexe Wissenschaft. Selbstorganisation, Chaos, Komplexität und der Durchbruch des Systemdenkens in den Naturwissenschaften. Opladen. Leske/Budrich 1995.

Orland, B., Scheich, E. (Hrsg.): Das Geschlecht der Natur – feministische Beiträge zur Geschichte und Theorie der Naturwissenschaften. Suhrkamp, Frankfurt/Main.

Palm, K. (2008): Das Geschäft der Pflanze ist dem Weib übertragen ... die Pflanze selbst hat aber kein Leben - Zur vergeschlechtlichten Stufenordnung des Lebens im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: Esders, K., Lucht, P., Paulitz, T. (Hrsg.): Recodierungen des Wissens: Stand und Perspektiven der Geschlechterforschung in Naturwissenschaft und Technik. Campus Verlag, Frankfurt/Main, New York, S.197-211.

Satzinger, H. (2009): Differenz und Vererbung: Geschlechterordnungen in der Genetik und Hormonforschung 1890-1950. Böhlau Verlag, Köln etc.

Scheich, E. (1993): Naturbeherrschung und Weiblichkeit. Denkformen und Phantasmen der modernen Naturwissenschaften (Feministische Theorie und Politik, Band 6). Centaurus-Verlagsgesellschaft, Pfaffenweiler.

Schiebinger, L. (1986): Skeletons in the Closet: The First Illustration of the Female Skeleton in Nineteenth-Century Anatomy. Representations, Spring 1986; 14: 42-82.

Schiebinger, L. (1993 (engl. 1989)): Schöne Geister – Frauen in den Anfängen der modernen Wissenschaft. Klett-Cotta, Stuttgart.

Schiebinger, L. (1993 (engl. 1990)): Anatomie der Differenz. „Rasse“ und Geschlecht in der Naturwissenschaft des 18. Jahrhunderts (übersetzt von C. Opitz). Feministische Studien, 11 (1): S.48-64.

Schiebinger, L. (1995 (engl. 1993)): Am Busen der Natur: Erkenntnis und Geschlecht in den Anfängen der Wissenschaft (aus dem Englischen übersetzt von Margit Bergner und Monika Noll). Klett-Cotta, Stuttgart.

Schiebinger, L. (1995): Das private Leben der Pflanzen: Geschlechterpolitik bei Carl von Linné und Erasmus Darwin. In: Orland, B., Scheich, E. (Hrsg.): Das Geschlecht der Natur – feministische Beiträge zur Geschichte und Theorie der Naturwissenschaften. Suhrkamp, Frankfurt/Main, S.245-269.

Schmitz, S. (2006): Geschlechtergrenzen. Geschlechtsentwicklung, Intersex und Transsex im Spannungsfeld zwischen biologischer Determination und kultureller Konstruktion. In: Ebeling, Kirsten Smilla, Schmitz, Sigrid (Hg.): Geschlechterforschung und Naturwissenschaften – Einführung in ein komplexes Wechselspiel. Wiesbaden. VS Verlag 2006, 33-56.

Schmitz, S. (2006): Hirnbilder im Wandel Kritische Gedanken zum 'sexed brain'. In: Mauss, Bärbel, Petersen, Barbara (Hg.): Das Geschlecht der Biologie. NUT-Schriftenreihe Band 11. Mössingen-Thalheim. Talheimer Verlag 2006, 61-92. (hier bestellbar)

Schmitz, S.; Höppner, Grit (2014): Gendered Neurocultures:Feminist and Queer Perspectives on Current Brain Discourses. Wien: Zaglossus.

Spanier, B. (1995): Im/Partial Science: Gender Ideology in Molecular Biology. Indiana University Press.

Voß, H.-J. (2008): Wie für Dich gemacht: die gesellschaftliche Herstellung biologischen Geschlechts. In: Coffey, J. et al. (Hrsg.): Queer leben – queer labeln? (Wissenschafts-)kritische Kopfmassagen. fwpf Verlag, Freiburg, S.153-167.

Voß, H.-J. (2010): Alles bio? Auch aus biologischer Sicht gibt es mehr als zwei Geschlechter. analyse & kritik, 547: S.10, Online.

Voß, H.-J. (2010): Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive. Transcript Verlag, Bielefeld.

Voß, H.-J. (2011): Geschlecht: Wider die Natürlichkeit (Reihe theorie.org). Schmetterling Verlag, Stuttgart.

Voß, H.-J. (2012): Intersexualität - Intersex: Eine Intervention. Unrast-Verlag, Münster.

Voß, H.-J. (2013): Biologie & Homosexualität: Theorie und Anwendung im gesellschaftlichen Kontext. Unrast, Münster.

Eine Übersicht über weitere Literatur gibts hier, beim AK ANNA

Auch in der Zeitschrift ZEIT wird nun wieder thematisiert, dass das Erbgut des Menschen so einfach nicht ist - und dass es im Menschen nicht konstant ist. Bereits im Jahr 2008 schrieb dort Ulrich Bahnsen den Beitrag "Erbgut in Auflösung: Das Genom galt als unveränderlicher Bauplan des Menschen, der zu Beginn unseres Lebens festgelegt wird. Von dieser Idee muss sich die Wissenschaft verabschieden. In Wirklichkeit sind unsere Erbanlagen in ständigem Wandel begriffen." Heute - weiterer Beitrag in der ZEIT, vgl. unten) gilt es ihm wieder als Novum, dass das Erbgut des Menschen in Veränderung begriffen ist. Aber wahrscheinlich muss Journalismus immer wieder Neues versprechen, um Auflage zu generieren. Auch der heutige Beitrag ist in seinem Kern lesenswert, lediglich die Ableitungen zu Fragen der Sozialisation erscheinen nicht stichhaltig begründet. Wie kommt er auf den Gedanken, dass ein veränderlicher und prozesshafter Charakter genetischen Materials abseits von Einflüssen von außerhalb der Zelle (Zell-Zell-Kommunikation, weiteren Umwelteinflüssen und eben auch Einflüssen der Sozialisation) sein sollte? Das erschließt sich mir nicht. Abseits dieser kurzsichtigen Interpretation ist der Einfluss gerade für die Variabilität des Genoms lesenswert: "Im Kern überraschend: Anders als bisher vermutet, tragen Körperzellen des Menschen kein einheitliches Erbgut in sich, sondern bilden Mosaike. Das könnte viele Krankheiten erklären."

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Zuerst veröffentlicht und zitierbar als: Voß, Heinz-Jürgen (2014): 'Der Mann' und Männlichkeiten in ihrer Einbindung in Herrschaftsverhältnisse. Swissfuture, 1 (2014): 29-31. Hier als pdf-Datei.

 

‚Der Mann‘ und Männlichkeiten in ihrer Einbindung in Herrschaftsverhältnisse
Heinz-Jürgen Voß

Bei der Frage nach „der Zukunft des Mannes“ muss man sich allererst fragen: Wer ist denn eigentlich ‚der Mann‘. Wo kommt er her? ‚Der Mann‘, wie er auch heute – noch immer, bei allen Veränderungen – verhandelt wird, stellt lediglich ein geronnenes Ideal dar. Gefüllt mit vielfältigen Vorstellungen, ist dieses Konzept der bürgerlichen Gesellschaft stets labil gewesen und wurde nur einigermaßen fest in ein Herrschaftssystem aus Rassismus, Geschlecht und Klasse eingewoben. Gleichwohl scheint es zunehmend an seiner Grundanlage zu scheitern: Die vielfältigen Lebensweisen, die individuellen Unterschiede in Merkmalen, in ‚Stärken‘ und ‚Schwächen‘ scheinen sich immer schwieriger in das klare Muster ‚Mann‘ fügen zu wollen. Heute ist von Flexibilisierung und Individualisierung der Lebensweisen die Rede, es wird von der Pluralform, von ‚den Männlichkeiten‘ statt ‚der Männlichkeit‘, gesprochen. ‚Der Mann‘, erst durch Kategorisierung und Kanonisierung bestimmter Merkmale (beim Weglassen anderer) und durch Disziplinierung und Zurichtung hergestellt, scheint zu verschwinden. Die Veränderung passt gut zu den sich wandelnden Anforderungen des im globalen Norden stärker dienstleistungsorientierten Kapitalismus.

Aufgekommen ist ‚der Mann‘ mit der modernen bürgerlichen, der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Als es darum ging, ob auch Frauen, Juden, Menschen aus dem Proletariat und die Kolonialisierten Menschenrechte erhalten sollten, blieb eine Personengruppe unbenannt, für die diese Rechte nicht in Frage stand. Es waren die weißen und bürgerlichen europäischen Männer. Ihre privilegierte Position in der Gesellschaft, ihre öffentliche Präsenz, ihre Werte präg(t)en in besonderem Maße die modernen Gesellschaften und füll(t)en – gerade in Abgrenzung gegenüber anderen Menschen – die Vorstellung davon, was denn ‚der Mann‘ sei.Weiterlesen » » » »

"»Mutterinstinkte« [werden] nicht allein durch das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung hervorgerufen [...], sondern primär durch eine frühe und engagierte Rolle in der Kindererziehung." Lesenswerter Beitrag zu einer psychologischen Studie: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19758

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GID_Titel220Sehr lesenswert ist die aktuelle Schwerpunktausgabe "Biologisierung der Armut: Genetik und soziale Ungleichheit" des Gen-ethischen Informationsdienstes GID. Insbesondere zu empfehlen sind der Beitrag "Der Ausschluss der Armen" (von Friederike Habermann) und "'Arbeitsscheu' und 'asozial'" (von Dirk Stegemann). Habermann zeichnet nach, wie unter den aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen immer mehr Menschen ins Abseits gedrängt werden und ihre Situation zugleich naturalisiert wird. Spezifische Verhaltensempfehlungen sowohl für die Prekarisierten als auch für die Privilegierten zeigt Habermann als Herrschaftsmechanismen auf.

Dirk Stegemann arbeitet nach, wie in der deutschen Geschichte und aktuell Menschen als 'asozial' diffamiert wurden und werden. Er erarbeitet prägnant die Verfolgungsgeschichte in der Nazi-Zeit und die mangelnde Aufarbeitung der Verbrechen nach 1945 - eine Anerkennung der Verfolgung von so genannten 'Asozialen' fehle bis heute. Gleichzeitig erläutert Stegemann, wie erst mit dem kapitalismus - verbunden mit der 'protestantischen Arbeitsethik' - überhaupt ein Denken aufkommt, dass Arbeiten der Zweck des Menschseins sei. Stegemann schreibt: "Mit der Industrialisierung [...] setzte sich das von der Kirche und insbesondere von den Calvinist_innen propagierte Arbeitsethos durch, nach dem nicht essen sollte, wer nicht arbeitet. War 'Arbeit' in der Antike zum Teil regelrecht verpönt, wurde sie mit der Reformation zur 'Berufung' und Pflicht. [...] Erst dieses Arbeitsethos ermöglichte es, die gesamte Bevölkerung, ihre Lebensweise und ihren Arbeitsrhythmus den Anforderungen der kapitalistischen Produktion zu unterwerfen, und es bildet bis heute die Grundlage der kapitalistischen Ökonomie." (S.17)

Allein der Beitrag von Jörg Niewöhner zur Epigenetik geht, abseits der materiellen Grundlagen, Zukünften epigenetischer Forschung nach. Er betrachtet dabei allein die aktuelle Epigenetik und argumentiert gerade nicht auch aus ihrer Historie heraus. Conrad Hall Waddington prägte den Begriff und das Forschungsgebiet bereits zu Beginn der 1940er Jahre und fokussierte sämtliche Bestandteile der Zelle außer der DNA, die an der Ausbildung von Merkmalen Anteil haben könnten. Er ging damit von Prozesshaftigkeit und einer Vielfalt von wirkenden Faktoren aus. Die heutige Epigenetik untersucht hingegen nur noch jene Faktoren, die direkt an der DNA angreifen - man muss also von einer Genetisierung der Epigenetik sprechen. Diese Entwicklung ist auch der ganz materiellen Grundlage geschuldet, dass die Genetik über Jahrzehnte massiv gefördert wurde. Nach dem Scheitern genetischer Erklärungen - u.a. durch die 'ernüchternden' Ergebnisse des Humangenomprojekts - suchten Genetiker zunehmend weitere Arbeitsfelder, nutzten und bedingten den Hype der Epigenetik (vgl. auch hier). Wie bei der Dominanz 'genetischer Expertise', mit der Epigenetik grundlegend andere Forschungsfragen und -ergebnisse als in der Genetik möglich werden sollten, erschließt sich nicht.

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Epigenetik und Homosexualität
Dr. Heinz-Jürgen Voß

Abstract:
Populäre Zeitschriftenartikel über biologische Forschung haben oft mehr Nachklang als die zu Grunde liegenden wissenschaftlichen Aufsätze. Das gilt auch für einen Artikel in der Wochenzeitung DIE ZEIT, dessen Verfasser vorgab, sich einer neuen – theoretisch orientierten – Studie zu Epigenetik zuzuwenden, dabei aber alte und widerlegte Annahmen aus der Genetik und Gehirnforschung neu aufwärmte. Der ZEIT-Autor Ulrich Bahnsen wählte mit „Muttis Tunte, Papas Lesbe“ gar eine explizit homophobe Überschrift und legte die Stereotype des „passiven“ vs. „aktiven“ Schwulen zu Grunde, so dass schon auf Grund solch parteiischer und homophober Setzungen nicht anzunehmen war, dass der Beitrag Verbreitung finden würde. Er tat es aber dennoch, und das soll der Anlass für diesen Aufsatz sein, in dem kurz in die Fragen der Epigenetik eingeführt wird und schließlich mit Fokus auf den Beitrag der Forschungsgruppe um Rice et al. (2012) – der dem ZEIT-Artikel zu Grunde lag – biologische Forschungen zu „Homosexualität“ im Hinblick auf Epigenetik diskutiert werden. Vorweggenommen sei, dass die Forschungsgruppe Rice et al. ihrem Aufsatz deutlich voranstellt, dass es sich um theoretisch Betrachtungen handele, nicht um eine Untersuchung, die sich auf empirische Erhebungen zu „Homosexualität“ stütze. Sie wollten lediglich der Hypothese nach einer möglichen Bedeutung der Epigenetik bezüglich „Homosexualität“ nachgehen, könnten aber „keine definitive Evidenz dafür liefern, dass Homosexualität eine deutliche epigenetische Grundlage hat“[1] (Rice et al. 2012: 357).

Zum vollständigen Text: pdf-Datei.

Im Zusammenhang mit dem band "Gendermedizin: Prävention, Diagnose, Therapie" (hg. von Alexandra Kautzky-Willer) sollen im folgenden einige grundlegende Problematiken aktueller 'gendermedizin' in die Debatte gebracht werden:

"Die ‚Gendermedizin‘ ist im Begriff, zu einem antiemanzipatorischen Projekt zu werden. Menschen werden als durch und durch vergeschlechtlicht gedacht, die Ursachen nicht in gesellschaftlicher Ungleichbehandlung gesucht, sondern essentialisiert. Der von Alexandra Kautzky-Willer herausgegebene Sammelband macht diese Entwicklung deutlich. Gleichwohl zeigen sich in ihm vereinzelt auch reflektierte Betrachtungen, die soziale Faktoren in der Analyse zumindest zulassen. Ist der Band als Lehrbuch gedacht und soll er erste Orientierungsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen für die Praxis bieten, so wird er beidem nicht gerecht. Vielmehr handelt es sich um einen theoretisch gehaltenen Sammelband für Wissenschaftler/-innen mit lediglich vereinzelten Anregungen für die medizinische Praxis." weiter