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Nun ist das Buch "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" frei und kostenlos im Volltext als PDF-Datei zugänglich und können sich alle eine Meinung bilden, das Buch diskutieren und rezensieren.
Cover des Buches "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven"

Das Buch "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" (hier als PDF-Datei), das Zülfukar Çetin und ich im Jahr 2016 veröffentlichten, sorgte für größere Diskussionen. Eine Rezensentin meinte sogar, dass Zülfukar und ich etwas gegen schwule Küsse hätten - was für ein Quatsch. Jan Schnorrenberg erwidert in der Tageszeitung Tagesspiegel den Unterstellungen von Patsy l'Amour laLove ("Aktivismus-Debatte: Queeres Scherbengericht"), Floris Biskamp nahm uns bei den Ruhrbaronen gegen solche Diffamierung in Schutz: "Weniger nachvollziehbar ist, dass man die Argumente der Gegenseite dabei zur Unkenntlichkeit entstellt. Dies tut insbesondere l’Amour laLove in ihrer Auseinandersetzung mit dem Buch 'Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität' von Zülfükar Çetin und Heinz-Jürgen Voß." ("Beißreflexe: Je böser, desto mehr freu’n sich die Leut’!")

Roberto Manteufel machte in der Zeitschrift Siegessäule prägnant deutlich, was eine der aufreibenden Thesen im Buch ist. Er schreibt unter anderem: "In ihrem Buch gehen [Çetin und Voss] ans Eingemachte. Sie skizzieren, wie das Wort 'homosexuell' allein schon durch seine historischen Ursprünge rassistisch gefärbt wurde. 'Echte Homosexualität' fände sich zum Beispiel nur bei reichen weißen Nordeuropäern, konstatierte Hirschfeld. Ursprünge, die bis heute ihre Wellen schlagen. Denn – um mal so richtig die Ironiekeule zu schwingen – wir als weiße, aufgeklärte Schwule wissen schon, wie es geht. Also in Sachen Toleranz und Miteinander und überhaupt. Dagegen sehen zum Beispiel die Muslime so richtig alt aus. [...] Klingt doch einleuchtend. Nur stimmt das wirklich? Erschreckend klar analysieren Çetin und Voss, wie hinter solchen Gedankengängen ein neues Wir-Verständnis steht, das auch hervorragend als politisches Kampfinstrument dient. Denn Wir, das sind inzwischen auch wir Homos. Wir sind die treuen Demokraten, die gebildet sind und euch den Wohlstand bringen, wenn ihr es nur richtig macht. Vertraut uns bitte, denn was wahre Freiheit ist, das wissen einzig wir. Denn Wir, das sind diejenigen, die in Schwarz und Weiß denken, in Okzident und Orient, in fortschrittlich und rückständig. Ganz ehrlich, Nachtigall, ick hör dir trapsen. Das riecht nach großem Ärger." (Siegessäule, Dezember 2016, S. 49)

Nun ist das Buch "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" frei und kostenlos im Volltext als PDF-Datei zugänglich und können sich alle eine Meinung bilden, das Buch diskutieren und rezensieren. Zum Download geht es hier: Link auf der Verlagsseite. Einen Überblick über erschienene Rezensionen gibt es hier.

Die Buchvorstellung von "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" bei den Linken Buchtagen 2017 wurde freundlicher Weise als Video aufgenommen - und ist nun bei YouTube online. Damit können auch all jene, die an der Buchvorstellung nicht teilnehmen konnten, einen ersten Einblick in den - lesenswerten 🙂 - Band erhalten.

Kurztext zur Veranstaltung: Rassismus und Antisemitismus in der Dominanzkultur und im Konzept der „Homosexualität“: Während „Sichtbarkeit“ und „Identität“ auch heute noch vielfach als bedeutsam für die politischen Kämpfe Homosexueller um Anerkennung und Respekt gelten, weisen Zülfukar Çetin und Heinz-Jürgen Voß in ihrem Band darauf hin, wie auf diese Weise auch „ein Ordnungsregime entsteht, das auf Geschlechternorm, Weißsein, Bürgerlichkeit und Paarbeziehung basiert“. Dadurch entstehen Ausschlüsse gegen Queers of Color und Queers mit abweichenden Lebensentwürfen. Çetin/Voß erläutern die zwiespältige Bedeutung von „Anerkennung“ und weisen auf nicht-identitäre Perspektiven hin.

Informationen zum Buch finden sich hier - und Rezensionen auf dieser Seite.

 

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Eine Kritik kann bereichernd sein. Sie kann dazu führen, dass Selbstverständlichkeiten hinterfragt werden. Sie kann gut formuliert sein, und sie kann, obwohl oder gerade weil sie scharf ist, Spaß bereiten. Es ging mir schon so, dass ich eine Kritik als so beißend und unzutreffend erlebte – und ihr gleichzeitig Respekt zollen musste, auf Grund ihres Stils und einer bemerkenswerten Wortgewandtheit. Eine solche Kritik bedeutet für mich aber auch stets, dass eine gewisse Ebene gewahrt wird: Es geht einer Kritik um die Sache, um die Auseinandersetzung – nicht um Denunziation, Verleumdung und Beleidigung der Diskussionspartner_innen oder eben auch einmal der Gegner_innen.

Eine solche Kritik sucht man in dem Buch „Beißreflexe“ vergebens. Die dortige Kritik hat keinen intellektuellen Biss, sondern will nur verletzen. Statt sich die Mühe zu machen, sich mit Argumenten von Diskussionspartner_innen oder „Gegner_innen“ pointiert auseinanderzusetzen, werden sie verzerrt, unvollständig und unaufrichtig dargestellt. Bereits der Titel „Beißreflexe“ – und wie er vom Herausgeber und den Autor_innen eingeführt wurde – nimmt den Diskussionspartner_innen und den stilisierten Gegner_innen das Argument aus dem Mund: Es sei ja doch nur eine – so wird unterstellt – der „üblichen“ und „nicht gerechtfertigten“ Positionen, die da kommen würde, eben „Beißreflexe“. Wer die von den Macher_innen von „Beißreflexe“ lancierte Twitter-Diskussion verfolgt hat, merkte rasch, wie sie sich geradezu nach der Selbstverteidigung der Angegriffenen sehnten, um dann gleich zu SCHREIEN, dass das ja alles Beißreflexe seien.

Johannes Kram führte in einer Auseinandersetzung mit einer Vorstellung des „Beißreflexe“-Buches aus, dass auch „ein LGBTIQ*-Populismus“ nicht grundsätzlich „schlecht sein muss“ (1). Gerade in der aktuellen, durch Rechtspopulismus getragenen Entwicklung könne er in der Lage sein, die Interessen von LGBTIQ* so zuzuspitzen, dass sie gesellschaftlich weiterhin verstanden würden. Doch der Herausgeber des Sammelbandes „Beißreflexe“, Patsy l’Amour laLove, „belässt es nicht beim Zuspitzen“ (ebd.). Kram führt weiter aus: „Ein Argument ist dann falsch, wenn es nicht argumentiert, sondern behauptet, wenn es so tut, als ob man sich mit der Annahme seiner Unrichtigkeit gar nicht beschäftigen muss. Aber es ist nicht nur die Wortwahl rund um den Vorwurf vermeintlicher ‚Sprechverbote‘, der Pose des ‚das wird man doch wohl endlich mal sagen dürfen‘, mit der sich Patsy hier verirrt, es ist das Prinzip dahinter: Ein Populismus, der nicht zuspitzt, sondern verzerrt.“ (Ebd.)Weiterlesen » » » »

Gerade von einer schönen Buchvorstellung von Zülfukar Çetins und meinem Buch aus Wien zurück. Es war schön bei Löwenherz! Und für alle, die lieber erst einmal ins Buch 'hineinhören' wollen, um es dann zu lesen, gibt es nun auch ein einführendes YouTube-Video:

Also gern sehen - und wer dann das Buch lesen und diskutieren mag, hat morgen (Mittwoch, 22.3.) in der Rosalinde in Leipzig und am Donnerstag (23.3.) in der Frauenkultur in Leipzig bei Buchvorstellungen zur Buchmesse Gelegenheit dazu.

PS: Nun ist das Buch "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität", zusätzlich zur gedruckten Fassung, auch kostenlos als PDF-Datei verfügbar.

PSY-Cetin-2549-v03.inddSehr gern weise ich auf das gerade erschienene Buch "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" von Zülfukar Çetin und mir hin. Wir freuen uns auf Diskussionen und eure und Ihre Anmerkungen. Gern könntet ihr und könnten Sie ein Rezensionsexemplar bestellen - entweder direkt beim Verlag oder bei: Heinz-Jürgen Voß, voss_heinz@yahoo.de . (Nachtrag: Mittlerweile gibt es, zusätzlich zur gedruckten Fassung, das Buch auch kostenlos zum Download (PDF-Datei).

Deutlich wird im Band u.a., dass das Konzept "Homosexualität" selbst von den emanzipatorisch Streitenden im Gegensatz zum "dem Sex 'der Anderen'" entwickelt wurde, also gegen den gleichgeschlechtlichen Sex z.B. in Süditalien und der Türkei. Von den historischen Betrachtungen wird der Bogen zu aktuellen rassistischen Debatten und Akteuren gespannt. Gleichzeitig wird analytisch hergeleitet, warum "schwul" auf Schulhöfen ein oft abwertend genutzter Begriff ist, wenn er auch meist flachsend verwendet wird; es wird klar, warum das so bleiben muss, wenn nicht auch auf neue Konzepte zurückgegriffen wird ...

Nun die detaillierten Informationen:

Zülfukar Çetin, Heinz-Jürgen Voß:
Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven

# Oktober 2016; 146 Seiten; 19,90 Euro
# ISSN: 2367-2420
# Psychosozial-Verlag, https://www.psychosozial-verlag.de
# Informationen zum Buch beim Verlag
# Kostenloser Download des Buches: hier (Verlagsseite)

# Klappentext:
Vorangetrieben von »Schwulen« selbst wurde seit dem 19. Jahrhundert das Konzept schwuler Identität durchgesetzt. Noch heute gelten »Sichtbarkeit« und »Identität« weithin als Schlüsselbegriffe politischer Kämpfe Homosexueller um Anerkennung und Respekt. Jedoch wird aktuell immer deutlicher, dass auf diese Weise ein Ordnungsregime entsteht, das auf Geschlechternorm, Weißsein, Bürgerlichkeit und Paarbeziehung basiert. So werden beispielsweise Queers of Color und Queers mit abweichenden Lebensentwürfen marginalisiert.

Die Autoren des vorliegenden Bandes hinterfragen die Gewissheit, dass eine einheitliche schwule Identität existiert, aus unterschiedlichen Perspektiven: bewegungsgeschichtlich, wissenschaftstheoretisch und mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzungen um Homonationalismus und rassistische Gentrifizierung.

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Zuerst veröffentlicht und zitierbar als: Voß, Heinz-Jürgen (2014): 'Der Mann' und Männlichkeiten in ihrer Einbindung in Herrschaftsverhältnisse. Swissfuture, 1 (2014): 29-31. Hier als pdf-Datei.

 

‚Der Mann‘ und Männlichkeiten in ihrer Einbindung in Herrschaftsverhältnisse
Heinz-Jürgen Voß

Bei der Frage nach „der Zukunft des Mannes“ muss man sich allererst fragen: Wer ist denn eigentlich ‚der Mann‘. Wo kommt er her? ‚Der Mann‘, wie er auch heute – noch immer, bei allen Veränderungen – verhandelt wird, stellt lediglich ein geronnenes Ideal dar. Gefüllt mit vielfältigen Vorstellungen, ist dieses Konzept der bürgerlichen Gesellschaft stets labil gewesen und wurde nur einigermaßen fest in ein Herrschaftssystem aus Rassismus, Geschlecht und Klasse eingewoben. Gleichwohl scheint es zunehmend an seiner Grundanlage zu scheitern: Die vielfältigen Lebensweisen, die individuellen Unterschiede in Merkmalen, in ‚Stärken‘ und ‚Schwächen‘ scheinen sich immer schwieriger in das klare Muster ‚Mann‘ fügen zu wollen. Heute ist von Flexibilisierung und Individualisierung der Lebensweisen die Rede, es wird von der Pluralform, von ‚den Männlichkeiten‘ statt ‚der Männlichkeit‘, gesprochen. ‚Der Mann‘, erst durch Kategorisierung und Kanonisierung bestimmter Merkmale (beim Weglassen anderer) und durch Disziplinierung und Zurichtung hergestellt, scheint zu verschwinden. Die Veränderung passt gut zu den sich wandelnden Anforderungen des im globalen Norden stärker dienstleistungsorientierten Kapitalismus.

Aufgekommen ist ‚der Mann‘ mit der modernen bürgerlichen, der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Als es darum ging, ob auch Frauen, Juden, Menschen aus dem Proletariat und die Kolonialisierten Menschenrechte erhalten sollten, blieb eine Personengruppe unbenannt, für die diese Rechte nicht in Frage stand. Es waren die weißen und bürgerlichen europäischen Männer. Ihre privilegierte Position in der Gesellschaft, ihre öffentliche Präsenz, ihre Werte präg(t)en in besonderem Maße die modernen Gesellschaften und füll(t)en – gerade in Abgrenzung gegenüber anderen Menschen – die Vorstellung davon, was denn ‚der Mann‘ sei.Weiterlesen » » » »