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Professor Volkmar Sigusch, ein brillanter Denker, der zudem „fesselnd“ schreiben konnte, ein warmherziger Mensch, der Sexualität im gesellschaftlichen Kontext sehen konnte, ist tot. Er wird mir fehlen, er wird der Sexualwissenschaft fehlen! Aber er wird für mich ein ganz zentraler Bezug bleiben, und ich bin mir sicher: für die Sexualwissenschaft insgesamt auch.

Am 7. Februar 2023 ist Volkmar Sigusch gestorben, einer der großen Sexualwissenschaftler. Seine Arbeiten bedeuten mir viel und haben mich geprägt. Seine warme und offene Kommunikation ermutigte stets, bereits „beantwortete“ Fragen erneut und kritisch zu betrachten. Noch vor kurzem trug Professor Sigusch zu dem Band „Die deutschsprachige Sexualwissenschaft“ bei, der ihn – neben Kurt Starke und Rüdiger Lautmann – besonders würdigt. Dort ordnet er die aktuellen sexuellen gesellschaftlichen Entwicklungen wie folgt ein:

„Denn unser Alltag ist von sexuellen Reizen ebenso gesättigt wie entleert. Volle Leere, leere Fülle. Das ist eine der zentralen Paradoxien der neosexuellen Revolution […]. Offenbar wird das Begehren durch die übertriebene ökonomische und kulturelle Inszenierung der sexuellen Reize, durch deren Dauerpräsenz, beinahe lückenlose Kommerzialisierung und elektronische Zerstreuung wirksamer gedrosselt bis ausgetrieben, als es die alte Unterdrückung durch Verbote vermocht hat. Dass die Verbote immer lustgesättigt waren, wussten Freud und Bataille. Der Vatikan aber ahnt es schon länger. Er ist mittlerweile in Mitteleuropa die letzte Institution, die paradoxerweise versucht, durch Verbote sexuelle Begierde anzustacheln und sexuelle Lust groß zu machen.“ (S. 21)

Mit seiner pointierten gesellschaftlichen Einordnung, die auch das Tun der Sexualwissenschaft kritisch unters Brennglas legt, hat Professor Sigusch die Kritische Sexualwissenschaft begründet und geprägt. Auch auf diesem Blog spielte sie an verschiedenen Stellen eine Rolle – zum Beispiel hier. Sexualität betrachtete er schon in frühen Schriften - und kontinuierlich - eingebunden in die kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse. Auch die Fragen aktueller geschlechtlicher und sexueller Pluralisierungen – Professor Sigusch prägte hierfür den Begriff der „neosexuellen Revolution“ – betrachtete er eingebunden in die ökonomischen Strukturen, die ökonomische Ausbeutung der Menschen. Pointiert schreibt Sigusch 1984 im Band „Vom Trieb und von der Liebe“:

„Schauen wir uns um, betrachten wir die Voraussetzungen: Überall Herr und Knecht, oben und unten. Überall Unvernunft, Chaos, Zerstörung. Die Menschen von kleinauf erniedrigt, gedümpelt, entwertet, genötigt, isoliert, leer, voll Angst und ohne Würde. Wer tagein, tagaus als Maschine drei Handgriffe machen, wer Jahr um Jahr als Maske nutzlose Waren an den Käufer bringen, wer ein Leben lang als Handlanger tote Akten gegen Menschen führen muß, wer so im allgemeinen Leben zurechtgestanzt wird, der kann nicht einfach im Liebes- und Geschlechtsleben das Gegenteil von Maschine, Maske, Handlanger sein - plötzlich er selber, unverstellt, die Seele ganz gelöst.“ (S. 14)

Dieser kritische Blick ist anschlussfähig für aktuelle queere Reflexionen – siehe auch hier auf diesem Blog.

Professor Sigusch hatte Einfühlungsvermögen – ein Herz. Seine wissenschaftlichen und medialen Veröffentlichungen trugen mit dazu bei, dass die gewalttätigen „stereotaktischen Gehirnoperationen“[1] an Schwulen, die in der Bundesrepublik der 1970er stattfanden, ein Ende fanden. Er hat sich früh mit Fragen von Cis- und Transgeschlechtlichkeit auseinandergesetzt – und hat hier auch anfängliche eigene Fehler zugestanden und sich mit den Anliegen der Selbstorganisationen solidarisiert. Kritisch die gesellschaftlichen Entwicklungen einordnend und begleitend, hat Volkmar Sigusch viel dazu beigetragen, dass heute geschlechtliche Selbstbestimmung und sexuelle Selbstbestimmung zentrale Themen sind und gesellschaftlich befördert werden.

Professor Volkmar Sigusch, ein brillanter Denker, der zudem „fesselnd“ schreiben konnte, ein warmherziger Mensch, der Sexualität im gesellschaftlichen Kontext sehen konnte, ist tot. Er wird mir fehlen, er wird der Sexualwissenschaft fehlen! Aber er wird für mich ein ganz zentraler Bezug bleiben, und ich bin mir sicher: für die Sexualwissenschaft insgesamt auch.

Heinz-Jürgen Voß

Erläuterungen:

[1] Bis 1976 – nun unter theoretischer Bezugnahme insbesondere auf Günter Dörners Arbeiten (vgl. Sigusch 2007 [zuerst 1996]: Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. Stuttgart: Thieme Verlag: 326ff) – wurden in der BRD mindestens 604 als „psychisch krank“ eingeordnete Menschen mittels der Gehirnchirurgie „behandelt“, darunter 75 „mit abnormem Sexualverhalten“ (74 Männer, eine Frau), von denen 47 in Gefängnissen bzw. anderweitig zwangsuntergebracht waren. Zum ersten entsprechenden Eingriff, durchgeführt vom Göttinger Professor für Neurologie und Psychiatrie Fritz Roeder (1906-1988), schreibt Egmont R. Koch in der Zeitung Die Zeit im Jahr 1979 (hier online), nachdem eine breite Debatte um solche Eingriffe aufgekommen war: „Der Patient, der 52jährige Klaus K, wurde erstmals im Jahre 1950 wegen Unzucht mit Kindern in vier Fällen zu einer Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Weitere Straftaten in den darauffolgenden Jahren zogen schließlich die Einweisung in eine geschlossene Anstalt nach sich. Dort erfuhr K von dem Plan des Göttinger Neurologen Fritz Roeder, Sexualtriebtäter mittels eines Eingriffs ins Gehirn von ihrem krankhaften Leiden zu befreien. Vor der Alternative, entweder sein Leben lang hinter Gittern zu verbringen oder nach einer Operation womöglich freigelassen zu werden, entschied sich Klaus K sehr schnell für die Intervention. Der Eingriff, der erste dieser Art, fand im Januar 1962 in Roeders Privatpraxis statt. Mit einer dünnen, an der Spitze erhitzten Sonde verschmolz der Neurologe im Zwischenhirn, im sogenannten Hypothalamus, ein winziges Areal, das er für das sexuell abnorme Verhalten seines Patienten verantwortlich machte. Er betrat damit zwar chirurgisches Neuland, nahm aber auch ein eigentlich unverantwortliches Wagnis auf sich, wie später seine Göttinger Kollegen übereinstimmend befanden, denn nie zuvor war ein Hirnoperateur mit einer Sonde so tief ins Gehirn vorgedrungen.“

Lara Ledwa war bei ihrer historischen Aufarbeitung auch auf „problematische Tendenzen im LAZ wie Rassismus, Klassismus und Transfeindlichkeit gestoßen“ (S. 14/15) und hatte in ihrem insgesamt gegenüber dem LAZ dennoch sehr wertschätzenden Buch auch kritische Selbstreflexion in Bezug auf die eigene Geschichte angeregt und eingefordert.
Cover des Buches "Mit schwulen Lesbengrüßen: Das lesbische Aktionszentrum Westberlin"

Es geht um das Buch Mit schwulen Lesbengrüßen: Das Lesbische Aktionszentrum Westberlin (LAZ) von Lara Ledwa (Informationen: https://www.psychosozial-verlag.de/2930 ). Auf dem Cover ist das Venussymbol in lesbischer Variante mit einer kämpferischen Faust zu sehen, der Kreis wird gesprengt. Außerdem wird als Untertitel, einer historischen Studie angemessen, der Schriftzug „Das Lesbische Aktionszentrum Westberlin (LAZ)“ verwendet.

Dagegen haben drei angebliche Gründerinnen des LAZ nun über eine Rechtsanwaltskanzlei die Forderung nach einer Unterlassungserklärung verschickt. Sie behaupten, sie seien die Urheber*innen des Logos, die Cover-Gestaltung verletze ihre Urheber*innenrechte, und sie fordern die Einstellung des Buchvertriebs und Schadenersatz.

Was aus ehemals kapitalismuskritischem Aktivismus alles werden kann! Das kämpferische Venussymbol in den verschiedenen Abwandlungen ist in der lesbischen Community und auch für Trans*-Inter*-Aktivismus mittlerweile weit verbreitet – und das kämpferische Venussymbol wurde schon verwendet, lange bevor sich das LAZ überhaupt gründete.

Der jetzt behauptete Rechtsanspruch, der nicht gerechtfertigt erscheint, bedroht lesbischen, feministischen und queer-feministischen Aktivismus. Und mit Kapitalismuskritik hat er gar nichts mehr zu tun. Vielmehr ist jetzt die Frage: Wem gehört der lesbische Aktivismus?

Die Auseinandersetzung hat insbesondere einen inhaltlichen Hintergrund: Einige der ehemaligen LAZ-Aktivistinnen hatten sich zuletzt deutlich von den historischen Forschungen Lara Ledwas distanziert, weil sie nicht alle Ausführungen für gerechtfertigt hielten. Denn Ledwa war bei ihrer historischen Aufarbeitung auch auf „problematische Tendenzen im LAZ wie Rassismus, Klassismus und Transfeindlichkeit gestoßen“ (S. 14/15) und hatte in ihrem insgesamt gegenüber dem LAZ dennoch sehr wertschätzenden Buch auch kritische Selbstreflexion in Bezug auf die eigene Geschichte angeregt und eingefordert. Auf diesem Weg eine kritische Stimme unterdrücken zu wollen, hat mit lesbischem, feministischem und queerfeministischem Aktivismus ganz sicher nichts zu tun.

Dank einer Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sind jetzt zahlreiche Bücher der Buchreihe "Angewandte Sexualwissenschaft" sowohl als gedrucktes Buch als auch als kostenloses Open-Access-Buch erhältlich.

Dank einer Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sind jetzt zahlreiche Bücher der Buchreihe "Angewandte Sexualwissenschaft" sowohl als gedrucktes Buch als auch als kostenloses Open-Access-Buch erhältlich.

Den Auftakt für unsere Open-Access-Aktivitäten machte der Band "The Queer Intersectional in Contemporary Germany: Essays on Racism, Capitalism and Sexual Politics", herausgegeben von Christopher Sweetapple (Link: https://www.psychosozial-verlag.de/7444 , PDF: https://www.psychosozial-verlag.de/catalog/dispatch-free.php?id=7444 ), von dem zeitgleich die gedruckte und die Open-Access-Fassung erschienen sind.

Durch die Förderung des BMBF sind nun die bis zum Jahr 2016 veröffentlichten Bände auch als Open-Access verfügbar. Konkret:

Manuela Tillmanns: Intergeschlechtlichkeit - Impulse für die Beratung
Link: https://www.psychosozial-verlag.de/6946

Torsten Linke: Sexualität und Familie - Möglichkeiten sexueller Bildung im Rahmen erzieherischer Hilfen
Link: https://www.psychosozial-verlag.de/6943

Julia Sparmann: Körperorientierte Ansätze für die Sexuelle Bildung junger Frauen - Eine interdisziplinäre Einführung
Link: https://www.psychosozial-verlag.de/6846

Conrad Krannich: Geschlecht als Gabe und Aufgabe - Intersexualität aus theologischer Perspektive
Link: https://www.psychosozial-verlag.de/6800

Lena Lache: Sexualität und Autismus - Die Bedeutung von Kommunikation und Sprache für die sexuelle Entwicklung
Link: https://www.psychosozial-verlag.de/6847

Alexander Naß, Silvia Rentzsch, Johanna Rödenbeck, Monika Deinbeck (Hg.): Geschlechtliche Vielfalt (er)leben - Trans*- und Intergeschlechtlichkeit in Kindheit, Adoleszenz und jungem Erwachsenenalter
Link: https://www.psychosozial-verlag.de/7231

Zülfukar Çetin, Heinz-Jürgen Voß: Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven
Link: https://www.psychosozial-verlag.de/6805

Hanna Sophia Rose: What’s fappening? Eine Untersuchung zur Selbstbefriedigung im 21. Jahrhundert
Link: https://www.psychosozial-verlag.de/7300

Miriam Günderoth: Kindeswohlgefährdung - Die Umsetzung des Schutzauftrages in der verbandlichen Jugendarbeit
Link: https://www.psychosozial-verlag.de/7279

Herzlichen Dank an den Psychosozial-Verlag für die stetig gute Zusammenarbeit und die Ermöglichung des Open-Access-Zugangs. Und Ihnen mit den Büchern viele gute Lesestunden und interessante Gedanken - egal ob Sie die gedruckte oder die Open-Access-Ausgabe nutzen wollen!

Im Psychosozial-Verlag erscheinen die beiden zentralen sexualwissenschaftlichen Buchreihen in der Bundesrepublik Deutschland: Die deutlich ältere ist die Reihe "Beiträge zur Sexualforschung", die von der Hamburger Sexualforschung verantwortet wird. Innovativ hinzugekommen ist die Reihe "Angewandte Sexualwissenschaft", deren Redaktion in der Merseburger Sexualwissenschaft angesiedelt ist. Eine Broschüre des Psychosozial-Verlags stellt jetzt die zentralen Bände vor, aus denen auch die Bedeutung abzulesen ist, was "Sexuelle Revolution" bedeuten könnte. Einen Blick in die Broschüre gibt es hier - Broschüre als PDF-Datei.

 

Eine umfassende Rezension des von Zülfukar Çetin und mir verfassten Buches "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität" ist auf dem Rezensionsportal Querelles-net.de erschienen. Darin schreibt die Soziologin und Geschlechterforscherin Lisa Krall u.a.: "Dass Auseinandersetzungen angeregt werden, wie es formuliertes Ziel des Buches ist, gelingt aber mit Sicherheit, und zwar nicht nur aufgrund der eng geführten, aber sehr fundierten theoretischen Analysen, sondern auch dadurch, dass es die Lesenden aus ihrer Komfortzone holt, wovon nicht alle begeistert sein werden. Die durch zahlreiche Beispiele untermauerten Argumentationen erweisen sich als zwingend, und es lohnt sich, ihnen zu folgen. So wie es nach wie vor mehr privilegienreflektierender Geschlechterforschung und feministischer Bewegungen bedarf, ist es notwendig, die eigene Beteiligung an Herrschaft zu thematisieren, wie Çetin und Voß am Beispiel der Schwulen aufzeigen. Der Forderung der Autor_innen, Identitäten zu verlernen (vgl. S. 17), könnte in diesem Sinne wohl auch Gayatri Chakravorty Spivaks (1996) Vorschlag hinzugefügt werden, Privilegien als einen Verlust zu verstehen."

Die ganze Rezension findet sich hier. Eine Übersicht über die bisher erschienenen Rezensionen zum Buch ist hier hinterlegt.

cover_geschlechtliche_vielfalt_erleben_In der Reihe "Angewandte Sexualwissenschaft" des Psychosozial-Verlags ist gerade das lesenswerte Buch "Geschlechtliche Vielfalt (er)leben: Trans*- und Intergeschlechtlichkeit in Kindheit, Adoleszenz und jungem Erwachsenenalter" neu erschienen. Es wendet sich Inter* und Trans* gerade vor dem Hintergrund aktuell stattfindender rechter Angriffe vor; im Band wird u.a. vorgeschlagen, interdisziplinär und intersektional Lösungsansätze zu entwickeln. Eingeleitet wird das Buch mit einem Grußwort der sächsischen Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping.

Geschlechtliche Vielfalt (er)leben:
Trans*- und Intergeschlechtlichkeit in Kindheit, Adoleszenz und jungem Erwachsenenalter
von Alexander Naß, Silvia Rentzsch, Johanna Rödenbeck, Monika Deinbeck (Hg.)

Psychosozial-Verlag, Gießen
2016, 149 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3-8379-2597-5

Verlagsinformationen

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PSY-Cetin-2549-v03.indd[aktualisiert: 14.7.2019]

Das Buch „Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität: Kritische Perspektiven“ von Zülfukar Çetin und mir gibt es nun auch kostenlos als PDF-Datei! Es soll zur Diskussion anregen - und hat es auch schon. Die folgende Seite bietet eine Übersicht - sie wird in loser Folge aktualisiert.

Mit der Besprechung "Warum schwule Sichtbarkeit nicht grundsätzlich gut ist" macht Ulrike Kümel den Auftakt. Ihre auf dem Portal Queer.de erschienene Besprechung kommt zum Fazit: "Ich finde das Buch wichtig. Nach dem Lesen wissen wir, dass schwule Emanzipation viel mit der Unterdrückung anderer zu tun hat. "Homosexualität" als Konzept und Identität hat viel mit Rassismus und Kolonialismus zu tun – und damit auch Anteil an Gewalt gegen Menschen. Das ist wichtig zu wissen, damit heute sensibel gestritten werden kann." Die ausführliche Rezension findet sich hier.

In der Zeitschrift Siegessäule diskutiert Roberto Manteufel das Buch "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" in seiner Kolumne "Seitenblick". Er merkt unter anderem an: "In ihrem Buch gehen [Çetin und Voss] ans Eingemachte. Sie skizzieren, wie das Wort 'homosexuell' allein schon durch seine historischen Ursprünge rassistisch gefärbt wurde. 'Echte Homosexualität' fände sich zum Beispiel nur bei reichen weißen Nordeuropäern, konstatierte Hirschfeld. Ursprünge, die bis heute ihre Wellen schlagen. Denn – um mal so richtig die Ironiekeule zu schwingen – wir als weiße, aufgeklärte Schwule wissen schon, wie es geht. Also in Sachen Toleranz und Miteinander und überhaupt. Dagegen sehen zum Beispiel die Muslime so richtig alt aus. [...] Klingt doch einleuchtend. Nur stimmt das wirklich? Erschreckend klar analysieren Çetin und Voss, wie hinter solchen Gedankengängen ein neues Wir-Verständnis steht, das auch hervorragend als politisches Kampfinstrument dient. Denn Wir, das sind inzwischen auch wir Homos. Wir sind die treuen Demokraten, die gebildet sind und euch den Wohlstand bringen, wenn ihr es nur richtig macht. Vertraut uns bitte, denn was wahre Freiheit ist, das wissen einzig wir. Denn Wir, das sind diejenigen, die in Schwarz und Weiß denken, in Okzident und Orient, in fortschrittlich und rückständig. Ganz ehrlich, Nachtigall, ick hör dir trapsen. Das riecht nach großem Ärger." (Siegessäule, Dezember 2016, S. 49)

In der Zeitschrift "analyse & kritik" (November 2016) hat Lisa Krall das Buch besprochen. Krall schreibt: "Çetin und Voß setzen sich in ihrem Band kritisch mit der Identitätskategorie »des Homosexuellen« und der mit ihr verbundenen Emanzipationsbewegung auseinander und diskutieren beides als Bestandteile westlicher Hegemonie. Im dicht argumentierten ersten Teil bereiten sie den Boden für zwei weitere Kapitel, die sich einmal auf »Homosexualität« in Naturwissenschaften und in Pädagogik konzentrieren (Voß) und zweitens Homo-/Queerpolitiken sowie Homonationalismus in Zusammenhang mit Gentrifizierung setzen (Çetin). Sichtbarkeit und Identität werden dabei in unterschiedlichen Kontexten betrachtet: Anhand historischer und aktueller Beispiele aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft machen sie die Verschränkungen der Kategorie »Homosexualität« mit Kolonialismus und Rassismus nachvollziehbar und hinterfragen die Relevanz starrer Identitätskategorien. Sie zeigen, dass Kategorisierungen, die der Sichtbarmachung und Anerkennung dienen, nicht unschuldig, sondern Teil von Herrschaftsverhältnissen sind, da sie nur bestimmte Personen einschließen und in diesem Fall ausschließen, wer nicht weiß, europäisch, bürgerlich oder männlich ist. Ihre intersektionalen Analyse bringt nicht nur Gegenwart und Vergangenheit zusammen, sondern auch das, was gewöhnlich in Theorie und Praxis unterteilt wird. So gelingt es an gesellschaftliche Phänomene und aktuelle Herausforderungen sowie an theoretische Auseinandersetzungen anzuknüpfen und diese um wichtige Perspektiven zu erweitern." zur Zeitschrift/Rezension

Mehr als eine Rezension verfasste Patsy l'Amour laLove - es handelt sich um einen persönlichen Standpunkt, eine Schmähung, die mit der Werbung für die Vorstellung (am 24.11.2016, Berlin) des eigenen - zu "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" inhaltlich konträren - Buchs verbunden ist; pikanterweise erscheint der Beitrag zudem drei Tage nachdem auf meinem Blog in einem Gastkommentar die von Patsy l’Amour laLove gehostete „Polymorphia“ (vom 21.11.2016) kritisiert worden war. Der Beitrag von laLove findet sich in der Zeitschrift jungle world (Ausgabe vom 24.11.2016, Titel "Die schwule Gefahr") und schließlich im Band "Beißrefelexe". Jan Schnorrenberg erwidert in der Tageszeitung Tagesspiegel den Unterstellungen von Patsy l'Amour laLove ("Aktivismus-Debatte: Queeres Scherbengericht"); Floris Biskamp erwidert ihr bei den Ruhrbaronen ("Beißreflexe: Je böser, desto mehr freu’n sich die Leut’!") und stellt zu den Unterstellungen laLoves gegenüber dem Band "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität" fest: "Weniger nachvollziehbar ist, dass man die Argumente der Gegenseite dabei zur Unkenntlichkeit entstellt. Dies tut insbesondere l’Amour laLove in ihrer Auseinandersetzung mit dem Buch Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität von Zülfükar Çetin und Heinz-Jürgen Voß." (online)

Georg Klauda verfasste eine Besprechung des erwähnten, von Patsy l'Amour laLove herausgegebenen, Bandes "Beißreflexe" und setzte sich dabei - in der Zeitschrift "analyse und kritik" - auch mit unserem Buch "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" auseinander. Diesbezüglich schreibt er u. a.: "Çetin und Voß halten dem entgegen, dass sich sexuelles Begehren, wie fast alle naturwissenschaftlichen Erkenntnisgegenstände, nicht in eindeutigen, binären Kategorien, sondern in Spektren und Möglichkeitsräumen ereignet, die sich einer starren Festlegung entziehen. Die Erfindung einer identitären Homosexualität sei ein politisches Projekt der westlichen Schwulenbewegung gewesen. Im Kontext einer heteronormativen bürgerlichen Gesellschaft lieferte der Rückbezug aufs eigene, ungewollte »Anderssein« eine Entschuldigung dafür, sich dem Zwang zur Heterosexualität lebensgeschichtlich zu entziehen, ohne die Norm als solche in Frage zu stellen. Dies erschien als notwendige Voraussetzung, um von der Mehrheit Anerkennung und Respekt verlangen zu dürfen." Der gesamte Beitrag findet sich hier.

"Du musst es lesen!" heißt es in einer Rezension von Joachim Schönert im "Lustblättchen" (Wiesbaden und Rhein-Main) vom November 2016. Und weiter: "Das Buch ist aktuell in seinen wissenschaftlichen Analysen und Beispielen und äußerst hilfreich beim Erkennen von Zusammenhängen." zur Zeitschrift

Christian Höller betont in den Lambda Nachrichten die Notwendigkeit des kritischen Charakter des Buches, um Debatten zu eröffnen. Er hält fest: "Das Buch wird als Streitschrift für kontroverse Diskussionen sorgen. Es macht deutlich, wie sehr sich die derzeitige Polarisierung auch in der LSBTI-Welt ausbreitet." (Lambda Nachrichten, März–April, Nr. 168, 39. Jahrgang, 1/2017)

Antje Schrupp rezensierte das Buch unter dem Titel "Homosexualität verlernen? Gute Idee." auf ihrem Blog www.antjeschrupp.com und im österreichischen Standard. In der Besprechung heißt es u.a.: "Mit sehr großem Interesse habe ich dieses Buch gelesen, in dem es um die Frage geht, wie sich der westliche Diskurs über Homosexualität mit Nationalismus und rassistischen Zuschreibungen an „Migrant_innen“ verbindet. [...] Angesichts der gegenwärtigen Diskurse, in denen speziell türkischen jungen Männern eine besonders ausgeprägte Homophobie zugeschrieben wird, ist es aufschlussreich, dass am Anfang des 20. Jahrhunderts die Türkei ein Eldorado für westliche Schwule war, weil man sich dort nicht verstecken musste. Amüsant auch zu lesen, wie dann mit Hilfe westlicher Wissenschaftskonstrukte das ominöse homosexuelle Wesen, das bestimmte Menschen eben haben und andere nicht, versucht wurde, in körperlichen Markern zu vereindeutigen; in den Keimdrüsen oder in den Genen, je nachdem, was in der Biologie gerade Mode war. Die enge Verbindung dieser westlichen Erfindung der Homosexualität mit rassistischen und nationalistischen Ideologien war mir neu. Sie ist in dem vorliegenden Buch vielleicht auch etwas zu stark gezeichnet, man müsste, sagt die politische Ideengeschichtlerin in mir, die entsprechenden Diskurse noch einmal in einem größeren Rahmen kontextualisieren, um sie entsprechend bewerten zu können. Aber unbedingt muss heutiger schwuler Aktivismus diese Schattenseiten der eigenen Geschichte reflektieren und tut er tatsächlich viel zu wenig." zur Rezension hier (Antje Schrupp: Aus Liebe zur Freiheit) und hier (derStandard).

In der zur Buchmesse in Leipzig erschienenen Graswurzelrevolution schreibt Antje Schrupp unter dem Titel "Homosexualität und Antirassismus" pointiert zum Buch: "Der westliche Diskurs über Homosexualität ist eng mit Nationalismus und rassistischen Zuschreibungen an "Migrant_innen" verbunden. Viele Menschen im Westen sind überzeugt, dass die Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten eine speziell westliche Errungenschaft sei. Und allzu oft dient der Vorwurf der Homophobie der Bekräftigung einer westlichen Überlegenheit und die Behauptung, man müsse LGBTQ-Rechte schützen, zur Legitimation von Kriegen. Das Buch "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität. Kritische Perspektiven" von Zülfukar Çetin und Heinz-Jürgen Voß liefert wichtige Erkenntnisse zu dieser Verbindung und bezieht klar eine Position auf der antirassistischen Seite des Diskurses." zur Rezension

Theodor Itten besprach "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" in der Zeitschrift "Psychotherapie Wissenschaft". Dort schreibt er u.a.: Das Buch "kommt in drei Teilen daher. Im ersten werden die Homosexualität und 'die Anderen' besprochen. [...] Danach wird die Homosexualität im Kontext von Naturwissenschaft und Pädagogik ausgiebig reflektiert. [...] Um diese prozessorientierten theoretischen Überlegungen praxisnah zu verankern, beschreibt Çetin im dritten Teil, die homo- und queerpolitischen Dynamiken und Gentrifizierungsprozesse in Berlin. Hier wird die vielfältige homosexuelle Lebensweise als individuelle Bereicherung dargestellt. Wie sich Menschen in der Psychopolitik einer großen Metropole zurechtzufinden, ist hier wunderbar und eindrücklich beschrieben." (Theodor Itten, Psychotherapie Wissenschaft, Jg. 6, Heft 2 (2016))

Unter dem Titel "Für ein Streitgespräch – Deutungskampf schwuler Emanzipation" rezensierte Folke Brodersen "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität" auf dem Blog der Feministischen Studien. Bordersen führt dabei u.a. aus und bezieht den kürzlich von Patsy l’Amour laLove herausgegebenen Sammelband "Selbsthass & Emanzipation" mit ein: "In und zu einer solchen Politik ist ein Streiten möglich und nötig. Eine Verwerfung des Gegenübers und Markierung als persona non grata kann ihr aber nicht zuträglich sein. Polemisierungen wie etwa l’Amour laLoves Vorwurf an Voß und Çetin, einen Kampf „gegen die Homosexualität an sich“ zu führen, delegitimiert die Position des Gegenübers im Diskurs und verstellt von vornherein jede gemeinsame Engführung oder Reibung. [...] Die Polarisierung zwischen Hetero- und (Rest der) Homosexualität, aus der l’Amour laLove Impulse zur Diskussion der psychischen Verfasstheit schwuler Subjekte ableitet, erscheint vor diesem Hintergrund nicht mehr als gegebenes Faktum, sondern ist ein Effekt gegenwärtiger neo-konservativer Transformationen. [...] Ähnliches gilt für die diskursive Verwerfung queerer Muslim_innen, die Zuweisung von Archaik an einen ‚islamischen Kulturkreis‘ sowie für die gesamte Entgegensetzung zwischen ‚Muslim_innen und Schwulen‘ [... E]ine politische Vision [muss] darauf bauen, Beziehungen neu zu gestalten. Entgegen der Zergliederung zwischen ‚Tunten‘, ‚Türken‘ und ‚happy rainbowfamilies‘ wäre zu versuchen, nicht nur situative Bündnisse zu schmieden, sondern auch kollektiv wie individuell Haltungen der Sorge, der Freude und der Lust an- und miteinander zu stiften. Nicht etwa um melancholisch das Begehren nach einer kollektiven Bewegung zu heilen, sondern um eine Hierarchisierung und Verwerfung bestehender Differenzen nicht zuzulassen." zur ganzen Besprechung
In der eigentlichen Rezension in der gedruckten Ausgabe der Feministischen Studien wendet sich Brodersen dann ausschließlich "Schwule Sitbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" zu und endet auf der folgenden Schlussfolgerung: "Trotz dieser Kritiken am Resumee des Bandes, bleibt dieser mit seiner umfassenden empirischen Beschreibung und der Darstellung der spezifischen Funktionen von politischer Sichtbarkeit eine lohnende Lektüre. Für interessierte Beobachter_innen gegenwärtiger Ausdrucksformen ›schwuler‹ Politiken ist er damit eine gewinnbringende Zusammenstellung." (Feministische Studien, Heft 1/2017)

Auf Querelles-net - Rezensionszeitschrift für Frauen- und Geschlechterforschung besprach Lisa Krall das Buch und hält abschließend fest: "Dass Auseinandersetzungen angeregt werden, wie es formuliertes Ziel des Buches ist, gelingt aber mit Sicherheit, und zwar nicht nur aufgrund der eng geführten, aber sehr fundierten theoretischen Analysen, sondern auch dadurch, dass es die Lesenden aus ihrer Komfortzone holt, wovon nicht alle begeistert sein werden. Die durch zahlreiche Beispiele untermauerten Argumentationen erweisen sich als zwingend, und es lohnt sich, ihnen zu folgen. So wie es nach wie vor mehr privilegienreflektierender Geschlechterforschung und feministischer Bewegungen bedarf, ist es notwendig, die eigene Beteiligung an Herrschaft zu thematisieren, wie Çetin und Voß am Beispiel der Schwulen aufzeigen. Der Forderung der Autor_innen, Identitäten zu verlernen (vgl. S. 17), könnte in diesem Sinne wohl auch Gayatri Chakravorty Spivaks (1996) Vorschlag hinzugefügt werden, Privilegien als einen Verlust zu verstehen." zur ganzen Besprechung

Für die Progress - die Zeitschrift der österreichischen Hochschüler*innenschaft - rezensierte Hagen Blix "Schwule Sichtbarkeit..." In der Besprechung heißt es abschließend: "In einer Zeit, in der in Deutschland ein Autonomes Schwulenreferat die AfD zu einer Podiumsdiskussion einzuladen gewillt ist und die Teilnahme antidemokratischer Kräfte – erschienen in Begleitung von gut 20 Neonazis – als für eine „umfassende Meinungsbildung unumgänglich“ verteidigt, in einer Zeit in der zugleich die Rückholbarkeit des Erstrittenen in der Homophobie derselben Partei deutlich wird, sei die Lektüre dieses Buchs dringend empfohlen." Online

Kevin Junk besprach "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität: Kritische Perspektiven" auf FIXPOETRY. Er folgert unter anderem: "An anderer Stelle wurde dem Band vorgeworfen, er wäre anti-homosexuell (vor allem eine Rezension im Sammelband “Beißreflexe” [...], erschienen im Querverlag, erregte Aufsehen). Diese Lesart verkennt das Potenzial aktueller historischer, soziologischer und sexualwissenschaftlicher Forschung. Was der Band zeigt, ist, und das ist keine Neuigkeit, wie Homosexualität als Kategorie konstruiert ist und welche Gefahren damit einhergehen. Wenn sich Menschen auf einfache Labels reduzieren lassen, dann steht auf der einen Seite der Homosexuelle und auf der anderen Seite der Muslim. Beide schließen sich aus, beide hassen sich und beide lassen sich gegeneinander ausspielen. Nur gut, dass der Homosexuelle per se ein weißer Mann ist und damit in einer besseren Position als der Muslim als solcher. Solange Debatten auf diesem Niveau geführt werden, solange die Begrifflichkeiten so minderkomplex bleiben, bleibt auch die Debatte eine minderkomplexe und geht zu Lasten aller Beteiligten. Vor allem verhindert eine solche Debatte die Solidarisierung und den Austausch. Voß und Çetin fordern auf dieser Grundlage ein, die Einteilungen, die uns ein- und ausschließen, die Minder- und Mehrheiten, die wir angeblich sein sollen, endlich aufzuheben." zur vollständigen Besprechung

Till Randolf Amelung besprach das Buch in der Zeitschrift "Impu!se Für Gesundheitsförderung" (Juni 2018) und schreibt unter anderem: "Die Autoren widmen sich der Frage, inwieweit das heutige Verständnis von Homosexualität als Identität dazu führt, dass heteronormative Vorstellungen gestärkt und rassistische Marginalisierungen gefördert werden." zur vollständigen Rezension

Im Katalog der schwulen Buchläden "Der Dicke" wird das Buch prominent hervorgehoben. Auch Transgenderradio (Berlin) empfiehlt "Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität" - in der Oktober-Sendung (2016) - den Zuörenden zur Lektüre. zu Transgenderradio Und auch die Queere Legende Vagina Davis liest gerade das Buch, wie sie in einem Interview ("Queer legend Vaginal Davis speaks on art, race, gentrification, and the sexual pull of natural body odors") angab: "What are you reading these days? I am always keeping a brood of books on my nightstand. Been rediscovering and re-reading all the Harlem Renaissance canon from the likes of  Claude McKay, Zora Neale Hurston, Richard Bruce Nugent, Jean Toomer, Wallace Thurman, Rudolph Fisher and of course Mr. Looking for Langston himself, Langston Hughes. There is this young Turkish academic and theorist Zülfükar Çetin, and Heinz-Jürgen Voß wrote this book called 'Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität. Kritische Perspektiven (Gay Visibility-Gay Identity: Critical Perspectives)' that I am reading." (Hier ist das Interview online.)

[aktualisiert: 21.9.2019]

Im Folgenden findet sich eine Übersicht über erschienene Rezensionen zum Band "Geschlechtliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung", der 2016 in der Buchreihe "Angewandte Sexualwissenschaft" im Psychosozial-Verlag erschienen ist (Verlagsinformationen). Das Buch gibt es hier auch zum kostenlosen Download: Psychosozial-Verlag.

Doch hier zu Beginn ein Audio-Interview zum Buch bei Radio Corax (Halle), geführt von Elke Prinz mit Heinz-Jürgen Voß. Hier zum Anhören.

Sascha Salamander schreibt auf ihrem_seinem Blog ausführlich in zwei Beiträgen über das Buch und folgert: "Abschließend ist zu sagen: den Herausgebern ist es gelungen, Autoren zu gewinnen, die nicht nur eine trockene Analyse schreiben, sondern die mit Eifer für eine Sache schreiben und dieses Feuer auf den Leser übertragen. Trotzdem es ein sehr detailliertes Fachbuch mit wissenschaftlichem Hintergrund ist, spürt man beim Lesen klar, dass einzelne Autoren für ihr Thema brennen und es ihnen ein Anliegen ist, dies zu teilen. Ich lege das Buch allen ans Herz, die sich als Aktivisten mit den Themen auseinandersetzen wollen oder die beruflich mit den hier genannten Personengruppen befassen und für sie einsetzen. Das Buch vertieft wissen, eröffnet neue Sichtweisen und bietet einen differenzierten Einblick." zur Rezension -- zur Fortsetzung

Dr. Anja Gregor von der Universität Jena schreibt auf socialnet.de: "Michaela Katzer und Heinz-Jürgen Voß legen mit dem hier vorgestellten Sammelband eine gelungene Auswahl von Perspektiven vor, die einen Bereich beleuchten, dem sich Wissenschaft ebenso wie Praxis bislang nur vereinzelt widmen: Verhandlungen von geschlechtlicher, sexueller und reproduktiver Selbstbestimmung. Sie liefern damit einen wichtigen Beitrag, um eine breitere Diskussion der Themen Asexualität, Inter*geschlechtlichkeit oder Sexualität im Gefängnis ebenso wie der Kritik an Trans*Pathologisierung und diversen Reproduktionstechniken und -normen zu ermöglichen." zur Rezension

Daniel Horneber schreibt im Forum für Behindertenpolitik auf  Marxistisch-Leninistischer Grundlage: "Als ich dann das Buch in Händen hielt und feststellte, dass die verschiedenen Themen Transsexualität, Intersexualität, Asexualität, Sexualität im Gefängnis, Sexualität im Kontext von Behinderung sowie außerhalb hetrosexueller Paarbeziehungen den verschieden Kategorien sexueller, geschlechtlicher und reproduktiver Selbstbestimmung zugeordnet worden waren, war ich irritiert. [...] Sexualität im Kontext mit Behinderung nur unter dem Thema sexuelle Reproduktion abzuhandeln greift viel zu kurz! Partnerschaft, Verhandlung über den und die Wahrnehmung des eigenen Körper, Lust beim Sex, und Strategien (Sexualassistenz oder Sexualbegleitung) zur Befriedigung der Sexualität wären Themen gewesen, welche die Zuordnung zum Abschnitt reproduktive Selbstbestimmung nicht mehr ausreichen hätten lassen, welche aber notwendig sind um dem Thema gerecht zu werden. [...] Ich habe im Großen und Ganzen den Eindruck, dass das Weglassen der großen Abschnitte dem Buch gut getan hätte. Ich empfehle dieses Buch trotz der Unzulänglichkeiten, die es aus meiner Sicht hat, allen Pädagog_innen und Mitarbeiter_innen in der Jugendhilfe an Schulen und all jenen welche Lehrer_innen oder Erzieher_innen ausbilden." zur Rezension

Die Soziologin Kirsten Achtelik wendet sich in ihrer Besprechung im Genethischen Informationsdienst der Schwerpunktsetzung des Bandes zu . Die Fokussierung auf Intergeschlechtlichkeit, Trans*, auf Asexualität und auf Sexualität im Kontext von Gefängnis "sind mehr als ungewöhnlich". Sie fragt: "Sind das die Hauptprobleme, die es auf dem Feld der sexuellen Selbstbestimmung gibt?" (Genethischer Informationsdienst, Juni 2016)

Auf umstandslos hat die Soziolog*in und Feminist*in Daniela Jauk den Band besprochen und kommt zur folgenden Gesamteinschätzung: "Die 18 Autor_innen bilden eine anregende und spannende Mischung aus Aktivist_innen, Wissenschafter_innen, Praktiker_innen aus Medizin, Soziologie, Pädagogik, Psychologie und Sozialarbeit, freien Autor_innen – manchmal in ihren ko-existierenden Rollen. Der aktivistische und emazipatorische Zugang, der sich durch das Buch zieht, macht es zu einem richtig positiven Leseerlebnis – auch wenn die meisten Beiträge sehr klar Begrenzungen der Selbstbestimmung, Ausgrenzungsprozesse und Diskriminierung im Blick haben und an sich traurig stimmen. Es ist angenehmerweise jedenfalls ein Buch bei dem man sich alles andere als mühsam durch die Seiten kaut, die meisten Beiträge erschließen sich den Leser_innen in leicht verständlicher Sprache und geschmeidigen Strukturierungen und machen dadurch Lust weiter zu lesen." Zur Rezension

Theodor Itten empfiehlt das Buch in der Zeitschrift "Psychotherapie Wissenschaft" und schreibt im Fazit: "[D]ieses aktuelle Zeitzeugnis im Spannungsfeld von leiblichem Bedürfnis und theoretischem Aufsperren von Menschenwürde, ohne Denkschablonen, dieser achtzehn engagierten SozialwissenschaftlerInnen ist ohne Wenn und Aber zu empfehlen." (Psychotherapie Wissenschaft, Jg. 6, Heft 2 (2016))

In der Zeitschrift "Soziale Arbeit" wurde der Band vorgestellt und empfohlen. Dort heißt es unter anderem: "Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Heterogenisierung von Genderzuordnungen beschäftigt sich dieser Sammelband mit dem Thema der Selbstbestimmung in den Bereichen der Geschlechtlichkeit, der Fortpflanzung und der Sexualität. Die Einzelbeiträge beleuchten die Pathologisierung der Transsexualität, die Beratung transidenter Menschen, medizinische Aspekte sowie psychoanalytische, pädagogische und sozialarbeiterische Perspektiven [...der] Intergeschlechtlichkeit. In den Blick genommen werden ferner die Orientierung der Asexualität und die Sexualität im Kontext einer Inhaftierung." Soziale Arbeit, Heft. 6/7 (2016), S. 281.

Die Juristin Dr. Anja Schmidt besprach den Band in der Zeitschrift Kritische Justiz. Vierteljahresschrift für Recht und Politik (Heft 1, 2017) und folgert: "Der Band greift viele Aspekte geschlechtlicher, sexueller und reproduktiver Selbstbestimmung auf, auch wenn er angesichts der umfassenden Überschrift teils mosaikartig wirkt. Er vermittelt Jurist*Innen wichtige Informationen und Impulse für eine sprachlich angemessene, kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit dem Recht unter Einbeziehung der Praxis und ausgehend von den Perspektiven »Betroffener«" Zeitschrift Kritische Justiz. Vierteljahresschrift für Recht und Politik (Heft 1, 2017)

Die Soziolog_in Julia Maria Zimmermann von der Université de Luxembourg rezensierte das Buch "Geschlechtliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung" auf socialnet.de. In der Besprechung fokussiert sie insbesondere die Beiträge zu Intergeschlechtlichkeit und Asexualität; zum gesamten Band hält sie fest: "Seinem titelgebenden Anspruch, die Selbstbestimmung ins Zentrum nicht nur der Aufmerksamkeit, sondern der konkreten Praxis zu stellen, wird „Geschlechtliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung“ vollauf gerecht: alle Autor_innen sind diesem Anspruch sichtbar verpflichtet. Diese Verpflichtung geht in vielen Beiträgen über eine bloße Interessenvertretung hinaus und plädiert für die Definitionsmacht marginalisierter Gruppen. Die Implikation dieses Plädoyers liegt nicht nur in der Übertragung von Expertise von den, in erster Linie, psycho-medikalen Professionellen auf die marginalisierten Personen selber. Sie geht meines Erachtens in durchaus logischer Konsequenz weiter und betrifft die Neubewertung von Expertise insgesamt." socialnet.de, online.

Die Soziolog_in und Erziehungswissenschaftler_in Dr. Cornelia Hippmann hat das Buch in der Zeitschrift Gender (Ausgabe 3/2017) besprochen und kommt zur abschließenden Folgerung: "Die einzelnen Beiträge sind durchgehend gut geschrieben. Den Autor*innen gelingt es, sich umfassend und interdisziplinär mit dem „Charakter“ des Terminus Selbstbestimmung auseinanderzusetzen. Die aktuellen gesellschaftlichen Grenzen der Selbstbestimmung mit den verschiedenen Konsequenzen für einzelne Individuen und soziale Gruppierungen werden ausführlich betrachtet. Als besonders gelungen ist die Verbindung der Beiträge von Wissenschaftler*innen verschiedener Fachrichtungen mit denen aus der Praxis zu bewerten. Vor allem dadurch können sich die Autor*innen dem Phänomen der Selbstbestimmung in einer bisher nicht gekannten Weise annähern. Letztlich liefern die Herausgeber*innen mit ihrem Sammelband einen wichtigen Beitrag zur kritischen und interdisziplinären Beschäftigung mit der vielschichtigen theoretischen und praxisorientierten Perspektive auf Selbstbestimmung. Die Reflexion von Themen, wie Asexualität, Intergeschlechtlichkeit oder Sexualität im Gefängnis, ermöglicht es, sich auch kritisch mit Fragen der Trans*-Pathologisierung sowie mit unterschiedlichen Reproduktionstechniken und -normen zu beschäftigen und die Leser*innenschaft dafür zu sensibilisieren. Dabei kommt verständlicherweise eine große Zahl ‚Betroffener‘ zu Wort. Nicht zuletzt deshalb ist dieses Buch allen, die sich mit Selbstbestimmung auseinandersetzen möchten, wärmstens ans Herz zu legen." Gender, 3/2017, online.

Dr. Ute Sonntag schreibt in der Zeitschrift "Impu!se Für Gesundheitsförderung" (Ausgabe: Juni 2018) u.a. zum Buch: "In diesem Band geht es um gesellschaftliche Grenzen der Selbstbestimmung und deren Eingewobensein in Herrschaftsverhältnisse wie Rassismus, Klassen- und Geschlechterverhältnis. Es werden wichtige und teils noch immer tabuisierte Themen bearbeitet wie Transsexualität und Intersexualität im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung und Pathologisierungen oder Asexualität und Sexualität und Gefängnis." zur vollständigen Rezension

Andrea_Altenburg_Soziale_Arbeit_SexualitaetSehr gern weise ich auf den Band "Sexualität und Soziale Arbeit" von Andrea Altenburg hin, der zugleich eine zweite sexualwissenschaftliche Reihe des Instituts für Angewandte Sexualwissenschaft der Hochschule Merseburg eröffnet. Die Reihe erscheint im Hochschulverlag Merseburg und orientiert auf sehr gute Qualifikationsarbeiten, die an der Hochschule Merseburg entstehen.

Altenburg gibt in ihrem Band einen Überblick über die Angebote zu Sexueller Bildung im Studium der Sozialen Arbeit im bundesweiten Vergleich - sowohl zu den (notwendigen) Inhalten, als auch zum bisherigen Angebot.

Der Band:
Sexualität und Soziale Arbeit: Zur Notwendigkeit Sexueller Bildung im Studium der Sozialen Arbeit

# von Andrea Altenburg
# Merseburg 2016: Hochschulverlag
# 120 Seiten, 11,40 Euro
# ISBN: 978-3-942703-48-2
# Der Band kann überall im Buchhandel und hier bestellt werden.

Die Schriftenreihe:
Der Lehr- und Forschungsschwerpunkt Angewandte Sexualwissenschaft am Fachbereich Soziale Arbeit. Medien. Kultur ist im deutschsprachigen Raum einzigartig. Auf Grund seines Charakters an der Nahtstelle zwischen Theorie und Praxis entstehen hier innovative Arbeiten insbesondere im Bereich der sexuellen Bildung. In der Reihe Sexualwissenschaftliche Schriften werden sehr gute Qualifikationsarbeiten publiziert. Sie sollen Forschungsprojekte bereichern und Anregungen für die Praxis liefern.

Reihen-Umschlaggestaltung für den Psychosozial-Verlag, Gießen Info zu Hintergrund Raster-Bild: Raster für Fond: Covermotiv in Fläche von ca 25 x 25 cm einbauen und in Bitmap wandeln. Einstellung Bitmap: Halbtonraster 10 p per inch Winkel 45°Sehr gern weise ich auf die neue und innovative Publikation von Julia Sparmann "Körperorientierte Ansätze für die Sexuelle Bildung junger Frauen" hin, die gerade im Psychosozial-Verlag erschienen ist. Weitere Informationen finden sich unten. Rezensionsexemplare können direkt über den Verlag bezogen werden.

Julia Sparmann: Körperorientierte Ansätze für die Sexuelle Bildung junger Frauen

Verlag: Psychosozial-Verlag
113 Seiten, Dezember 2015, 16,90 Euro
ISBN-13: 978-3-8379-2519-7
Infos und Bestellmöglichkeit: http://www.psychosozial-verlag.de/catalog/product_info.php/cPath/2000_2130/products_id/2519

Klappentext:
Junge Frauen stehen mit ihrem Körpergefühl und sexuellem Erleben im Spannungsfeld individuell biografischer Erfahrungen und gesellschaftlicher Ideale. Sie besitzen in der heutigen Zeit ein ausgeprägtes Körperbewusstsein, doch statt körperlichen Wohlbefindens stehen oft kritische Selbstbewertung und Kontrolle im Vordergrund. Körperorientierte Methoden stärken über sinnlich-konkrete Selbsterfahrung die Körperwahrnehmung und erweitern sexuelle Fähigkeiten und Potenziale.

Julia Sparmann verbindet erprobte Methoden aus Körperpsychotherapien, dem sexualtherapeutischen Ansatz Sexocorporel und Tantra zu einem Konzept körperorientierter Herangehensweisen für die Sexuelle Bildung. Ressourcenorientiert werden die Hintergründe der Ansätze reflektiert und im Sinne einer emanzipatorischen Sexuellen Bildung modifiziert. Es wird deutlich, dass die Vermittlung der komplexen Zusammenhänge zwischen Atem, Muskeltonus und Bewegung sowie die Betonung eines achtsamen Körperzugangs dabei eine große Bereicherung darstellen.